Sebastian Merkle
Kirchenhistoriker
* 28. August 1862 in Ellwangen an der Jagst
† 24. April 1945 in Wargolshausen/Grabfeld
Als Sohn einer kinderreichen Kleinbauernfamilie besuchte Sebastian Merkle das Gymnasium und studierte 1882 bis 1886 Theologie, Philosophie und Geschichte in Tübingen. Anschließend wechselte er in das Priesterseminar des Bistums Rottenburg und erhielt 1887 die Priesterweihe. Nach kurzer Tätigkeit als Seelsorger und Vikar wirkte er ab 1888 als Repetent (als Dozent und Assistent) am Wilhelmsstift in Tübingen, wo er 1892 zum Doktor der Philosophie promoviert wurde. Ab 1894 war er als Stipendiat der Görres-Gesellschaft und Kaplan am Campo Santo in Rom tätig. Hier wurde er zur treibenden Kraft für die Erforschung des Konzils von Trient, die ihn sein Leben lang begleitete.
Nach der Promotion zum Doktor der Theologie (1898) folgte Merkle im selben Jahr dem Ruf an die Julius-Maximilians-Universität nach Würzburg, wo er rund 37 Jahre als Professor für Kirchengeschichte, christliche Dogmengeschichte und christliche Archäologie wirkte. Er war mehrfach Dekan sowie Mitglied des akademischen Senats und hatte 1904/05 – im Alter von nur 42 Jahren – das Amt des Rektors der Universität inne.
Merkle zählt zu den Begründern einer kritisch ausgerichteten Kirchengeschichtsforschung, die sich an den Quellen orientiert und nicht von apriorischen Vorgaben leiten lässt. Durch seine langjährigen Forschungen in europäischen Archiven und seine reiche Publikationstätigkeit international angesehen, wurde er vielfach geehrt. Ab 1931 war er Korrespondierendes, ab 1940 Ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
Dem Nationalsozialismus stand er, obwohl national orientiert, ablehnend gegenüber. Zu seinem Charakter gehörten Geist, Witz und Selbstironie, aber auch kompromisslose Schärfe und Heftigkeit im Urteil. Im häuslichen Bereich liebte und kultivierte er eine „schwäbische Gemütlichkeit“. Bei der Bombardierung Würzburgs am 16. März 1945 brannte auch Merkles Wohnhaus nieder. Merkle verlor nicht nur seine Manuskripte, sondern auch eine wertvolle, über 20.000 Bände zählende Forschungsbibliothek. Nach Wargolshausen evakuiert, starb er wenige Wochen später.
Sebastian Merkles ehemaliges Wohnhaus befindet sich in der Schellingstraße 27.