Political and Social Studies
Afrikanische Politik hautnah erleben
Mira Weiss recherchierte für ihre Bachelorarbeit in Kenia
Sie weiß, wie es ist, sich mit einem Eimer Wasser zu duschen. Das hat sie nach dem Abi in Malawi, einem südostafrikanischen Binnenstaat, erlebt. In Äthiopien arbeitete Mira Weiss für eine kleine Radiostation. Und bis vor Kurzem lebte sie in Kenia bei einer deutschen Familie im Diplomatenviertel von Nairobi, leistete ein Praktikum bei der Konrad-Adenauer-Stiftung ab und recherchierte für ihre Bachelorarbeit im Studiengang Political and Social Studies. Dabei geht es um den Kampf junger Kenianer gegen das herrschende politische System.
Denkt Mira an die ostafrikanischen Staaten, die sie bereits besucht hat, wird sie von widerstrebenden Gefühlen gepackt. Was die 23-Jährige von Januar bis April 2019 in ihrem Urlaubssemester in Kenia erlebt hat, weckt Hoffnung. Denn vor allem Jüngere engagieren sich, damit sich im Land etwas verändert. Gleichzeitig sah sie, wie unglaublich verkrustet die politischen Strukturen sind. „Letztlich habe ich alles immer noch nicht wirklich gut verstanden“, gibt sie zu. Und trotzdem: Vorgänge weltweit sowie deren Zusammenhänge tief zu verstehen – von diesem Antrieb ist die Studentin aus Sindelfingen bei Stuttgart beseelt. Aus diesem Grund begann sie im Wintersemester 2015/16, Political and Social Studies an der Uni Würzburg zu studieren.
Einen zumindest kleinen Einblick ins politische Räderwerk Kenias hat sie nun gewonnen. Das System funktioniert völlig anders als das in Deutschland. „In Kenia machen die verschiedenen Parteien jeweils in erster Linie für ihre eigene Ethnie Politik“, sagt Mira. „Und die Politiker an den Parteispitzen sind so etwas wie die ‚Könige‘ der jeweiligen Ethnien.“
42 Volksgemeinschaften gibt es in dem Land. Die meisten Kenianer gehören den Kikuyu an. Daneben gibt es beispielsweise die Luhya, Luo, Kambra, Kalenjin und Maasai. Jede Ethnie hat ihre eigene Partei. Die Macht wird seit der Unabhängigkeit des Landes 1963 von Generation zu Generation „vererbt“. Das zeigt sich an der Regierungsspitze: Jomo Kenyatta war der erste Präsident Kenias. Heute ist sein ältester Sohn Uhuru an der Macht.
Schülerinnen, die Mira Weiss für die Evaluation des KAS Mentoren Programms interviewt hat. Dabei ging es um die Frage, auf welche Weise die Schülerinnen politisch aktiv sind, in welchen Bereichen sie engagiert sind und wo sie gerne noch mehr Verantwortung übernehmen würden, März 2019
Um gewählt zu werden, ist es ganz normal, Stimmen zu kaufen. Das macht den Wahlkampf auch so teuer: „Oft verkaufen junge Politiker, was sie haben, um ihren Wahlkampf zu finanzieren.“ Aus europäischer Sicht ist das haarsträubend: „In Kenia wiederum argumentiert man, dass man ja auch etwas für die Menschen der eigenen Partei tut.“
Diese Aussage erhielt Mira mehrfach von jungen Politikerinnen und Politikern, die sie im Rahmen ihres Praktikums interviewte. Ihre Gesprächspartner waren von der Konrad-Adenauer-Stiftung für ein Mentoren-Programm ausgewählt. In ihrer eigenen Community sollten sie Jugendliche über Politik und Demokratie aufklären. „Ich besuchte einige der Mentoren vor Ort“, berichtet Mira. Im Umkreis von 300 Kilometern um Nairobi war sie unterwegs, um mit den Mentoren sowie mit den von ihnen unterrichteten Jugendlichen zu sprechen.
Unabhängig vom Einsatz für ihre eigene Ethnie wollen die 25 Adenauer-Mentoren dazu beitragen, dass sich in ihrem Land etwas grundlegend ändert, so Mira. Sie wollen die alten Machtstrukturen nicht mehr. Sie wollen ein faireres System, in dem das Wohl der Bürger beachtet wird und nicht der eigene Vorteil im Fokus steht.
Zurück aus Kenia, trägt Mira nun zusammen, was sie erfahren und was sie verstanden hat. Aus ihren offenen Fragen wird sie keinen Hehl machen. Um die Situation von Ländern wie Kenia noch besser zu verstehen, will sie nach ihrem Bachelorabschluss in den Würzburger Masterstudiengang Political and Social Sciences einsteigen.
Das Studium – ein Glücksfall
„Es ist einfach klasse, dass ich in meinem Fach Soziologie und Politikwissenschaft gemeinsam studieren kann“, sagt Mira, die ihr Studium „richtig liebt“. Wie „Political and Social Studies“ beschrieben war, sprach Mira sofort an: „Wobei ich mir damals nicht wirklich vorstellen konnte, was sich hinter dem Studium verbirgt.“ Das hat sie nun in den vergangenen sieben Semestern herausgefunden. Heute erscheint ihr ihre Wahl als Glücksfall: „Mein Studium passt voll zu dem, was mich interessiert und was ich machen möchte.“
Mira und ihr Team bei SIM Radio in Addis Abeba, in Äthipoien bei einem von ihr konzipierten Training für Webdesign und Social Media Marketing, Dezember 2018
Text: Pat Christ, Fotos: Pat Christ, Mira Weiss
Hintergrundbild: Mira Weiss verbrachte spannende vier Monate in Kenia.
Politik und Soziologie
Im Studiengang „Political and Social Studies“ (PSS) werden politische Prozesse behandelt, außerdem analysieren die Studierenden gesellschaftliche Entwicklungen. Konkret geht es um Themen wie den EU-Integrationsprozess, soziale Ungleichheit und Demokratiemessung. Mehr Infos gibt es HIER