Intern
Würzburger Altertumswissenschaftliches Zentrum

WS 2019/20

Ringvorlesung des WAZ im WiSe 2019/20

Magie. Texte, Praktiken und Stereotypen

Seitdem der Mensch an göttliche Mächte glaubt, dürfte die Idee Verbreitung gefunden haben, dass diese metaphysische Welt nicht nur durch Gebete und Opfer beeinflusst werden kann, sondern auch durch Zauberei. Das Konzept der Magie, Komplement oder Pendant zur Religion, basiert so auf der Annahme, dass ausgewählte Medien durch übersinnliche Fähigkeiten oder eigentümliche Rituale dazu in der Lage sind, sich Zugriff auf die transzendenten Kräfte in der Welt zu verschaffen. Jedenfalls sind es stets nur wenige Eingeweihte (griech.: mágos = Weiser), die diese Rituale ausüben und damit Macht über das Schicksal anderer Menschen gewinnen können.

Magier, im alten Persien ursprünglich eine Art Priesterkaste, waren so zu allen Zeiten schillernde Figuren, bewundert und gefürchtet zugleich. Sprichwörtlich sind Macht und Attraktivität der homerischen Kirke, die Odysseus in ihre Fänge lockte. Große Gelehrte wie Pythagoras oder Mystiker wie Orpheus standen in dem Ruf, über magische Kräfte verfügt zu haben. Selbst Jesus zog nicht nur bei seinen heidnischen Widersachern den Verdacht auf sich, ein Magier zu sein, der Tote zum Leben erwecken kann und Exorzismus betreibt.

In manchen Kulturen des Altertums zählen magische Praktiken wie z. B. Orakel oder feierliche Rituale zum Schutz des Königs zur Staatsreligion, in anderen finden sie, als Aberglaube oder Sünden gebrandmarkt, vorzugsweise im Verborgenen statt und eröffnen dort reizvolle Alternativen zu öffentlichen Hilferufen an die Götter. Etwa wenn ihre Ziele eher von individuellen Motiven herrühren, die der Diskretion bedürfen: unerwiderte Liebe, Potenzprobleme, Angst vor Krankheit, Hass und Neid u.v.m. Für alle diese Bedürfnisse warteten die Magier mit geeigneten Hilfsmitteln auf. Amulette wehren den 'bösen Blick' ab, Fluchtäfelchen verwünschen den persönlichen Feind, Bildzauber (ugs. 'Voodoo-Puppe') lässt ihn durch körperliche Gebrechen peinigen. Dabei fällt auf, dass das Wissen über die Magie trotz seiner Exklusivität nicht nur die Jahrhunderte, sondern ganze Kulturen überdauert hat.

Die Vortragsreihe widmet sich dem Phänomen der Magie aus den unterschiedlichen Perspektiven der altertumswissenschaftlichen Fächer, indem Fallbeispiele aus dem je eigenen Quellenmaterial beleuchtet werden: Texte zur Anleitung von Ritualen, die an Zauberbücher erinnern; Schamanen evozierende Utensilien wie Masken, Messer und Klappern; übelabwehrende Symbole und Bilder zum Hausgebrauch. Dabei geht sie konsequent der Frage nach, welchen Stellenwert magische Praktiken im (religiösen) Leben und Alltag der jeweiligen Kultur einnahmen.

Bei alledem wird deutlich werden, dass sich schon damals niemand der Faszination der Magie entziehen konnte. Das trug ihr das Interesse der Politik ein: Der Nimbus magischer Kräfte half den Königen ihre Herrschaft zu legitimieren. Unter dem Vorwurf dubioser magischer Praktiken ließen sich ungeliebte soziale Gruppen diffamieren. Trotz aller Abgrenzungsversuche, insbesondere der christlichen Religion, wurde die Macht der Magie jedoch nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Wer kann schon wissen, ob der Zauber nicht doch wirkt?