WS 2021/22
Ringvorlesung des WAZ im WiSe 2021/22
"Macht euch die Erde untertan!" - Neue Perspektiven auf den antiken Antagonismus zwischen Mensch und Umwelt
Das Verhältnis der Menschen zur Natur dürfte schon immer von Ambivalenzen geprägt gewesen sein. Einerseits bot sie ihnen Nahrung und alles andere, was sie zum Überleben brauchten, andererseits wartete sie mit vielen Gefahren auf, die ihre Existenz bedrohten. Vieles spricht dafür, dass das Ergreifen wirksamer Schutzvorkehrungen nach und nach die Utopie unserer Spezies befördert hat, die Natur beherrschen und in Zaum halten zu wollen.
Mit dem wachsenden Bewusstsein, dass die Ausbeutung natürlicher Ressourcen und die zunehmende Zerstörung von Biotopen ihrerseits für die Menschheit zu einer existenziellen Bedrohung werden können, haben Wissenschaftler damit begonnen, sich mit den Ursachen dieser Entwicklung auseinanderzusetzen. Das Zeitalter, das den menschlichen ‚Fußabdruck‘ des Raubbaus am Ökosystem der Erde trägt, haben sie „Anthropozän“ getauft und mit den Jahren immer früher anzusetzen gelernt. Tatsächlich lässt sich inzwischen nachweisen, dass die Probleme ökologischer Balance schon in der Steinzeit begonnen haben, da unsere Vorfahren mehr Tiere als nötig jagten und so die ersten Arten zum Aussterben brachten.
Dank der Sesshaftwerdung und dem Ackerbau setzte dann eine tiefer greifende Gestaltung von Lebensräumen und unter anderem auch das Territorialdenken ein. Die Kontrolle von Wasser zur Steigerung landwirtschaftlicher Erträge sorgte in manchen Regionen nicht nur für Bevölkerungswachstum, sondern erlaubte auf diesem Wege auch mehr Arbeitsteilung bis hin zur Ausdifferenzierung von Hochkulturen. Staatstragende Ideologien bzw. Religionen entstanden und mit ihnen Sätze wie den im Titel zitierten Bibelspruch (1. Mose 1, 28), mit denen die Herrschaft der Menschen über die Erde und alle anderen Lebewesen nachhaltig rechtfertigt wurde und wird.
Wenn wir uns heute angesichts massiver globaler Umwälzungen des Klimas schwer damit tun, die notwendigen Gegenmaßnahmen zu ergreifen, dann ist das offenbar nicht zuletzt dem kulturellen ‚Gepäck‘ zuzuschreiben, das wir mit uns tragen. Aufklärung tut not! In diesem Wintersemester möchte das WAZ daher einen kleinen Beitrag zur Bewusstseinsbildung leisten, indem es seine Ringvorlesung dem Themenkomplex Geoarchäologie und Umweltgeschichte widmet. Geographen und Altertumswissenschaftler aus verschiedenen Fachgebieten werden zu Wort kommen und exemplarische Einblicke in die frühen Stadien kultureller Eingriffe in die Natur geben.
Naturwissenschaftliche Verfahren liefern heute immer mehr Erkenntnisse über die einstigen Umweltbedingungen. Sedimentbohrungen, Pollenanalysen und Dendro-Daten geben aber nicht nur Aufschluss über die antike Fauna und Flora, sondern zeigen letztlich auf, dass die Koexistenz der Menschen mit ihrer natürlichen Umwelt nicht allein von technologischen Innovationen geprägt ist. Mindestens von ebenso großer Bedeutung sind die Entwicklung menschlicher Vorstellungen und Bedürfnisse sowie die daraus resultierenden Konzepte von Natur. Der Umgang mit Ressourcen und die scheinbare Überwindung von Naturgewalten bilden auch jenseits religiöser Auslegungen natürlicher Phänomene stets zentrale Aspekte der Machtausübung wie der Selbstdarstellung von Potentaten. Das Ziel der Ringvorlesung ist demnach, den Zusammenhängen von Ökologie, Ideologie und Politik anhand von Fallbeispielen aus der Prähistorie bis in die Neuzeit auf den Grund zu gehen.