Fluss, Meer, Lagunen Neue Forschungen in der etruskischen Handelsstadt Spina (Provinz Ferrara, It)
10.06.2013Gastvortrag von Prof. Dr. Christoph Reusser (Universität Zürich) am 10.06.2013 um 18.15 Uhr im Toscanasaal der Residenz
Die Geschichte der Stadt Spina lässt sich aufgrund literarischer, epigraphischer und vor allem archäologischer Quellen in groben Zügen rekonstruieren. Die antiken Schriftquellen sind spärlich und in ihren Aussagen teilweise problematisch. Es existieren zwei Überlieferungen zur Gründung der Stadt, die in beiden Fällen in die mythische Vorzeit versetzt und mit direkten Kontakten nach Griechenland verknüpft wird.
Von grosser Bedeutung ist die von verschiedenen Autoren überlieferte Angabe, dass Spina ebenso wie die südetruskische Metropole Caere im grossen panhellenischen Heiligtum von Delphi ein Schatzhaus besessen habe. Aus den vermutlich aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. stammenden Angaben im Periplous des Pseudo-Skylax (17) und aus Strabo (V 1. 5 und 7) wird deutlich, dass sich die Küstenlinie und damit die verkehrstechnisch sowie ökonomisch günstige Lage der Stadt in den letzten Jahrhunderten vor der Zeitenwende dramatisch verändert haben muss.
Spina war eine etruskische Stadt, obwohl sie sowohl bei Pseudo-Skylax wie bei Strabo als Polis Hellenis bezeichnet wird. Umstritten ist die Frage, ob Spina politisch eigenständig oder direkt von Bologna / Felsina, der etruskischen Metropole in der Po-Ebene, abhängig war und 'nur' deren Hafen gewesen sei. In den Quellen weist nichts auf eine solche Abhängigkeit hin; die Angaben zu dem Thesauros in Delphi sind ein gewichtiges Argument dafür, in Spina eine politisch selbständige Stadt zu sehen.
Die durch die Einwanderung der Kelten sowie die athenische, syrakusanische, spartanische und später auch römische Einflussnahme in der Region verursachten, tiefgreifenden Veränderungen in der politischen sowie militärischen Situation im oberen Adria-Gebiet und in der Po-Ebene im 4. und frühen 3. Jahrhundert v. Chr. führten dazu, dass sich auch die Lage für Spina grundlegend geändert haben muss. Zusammen mit den geoarchäologisch wie auch aufgrund der antiken Texte dokumentierten Veränderungen des Po-Laufs und der Küstenlinie im späteren 4. und 3. Jahrhundert v. Chr. bestimmte dies den Niedergang der etruskischen Stadt.
Die archäologische Erforschung etruskischer Städte und Siedlungen, aber auch einzelner Wohnhäuser stand trotz einer Reihe von Ausgrabungen lange Zeit nicht im Mittelpunkt des Interesses.
Spina, durch seine geographische Lage, seine Geschichte, die intensiven Kontakte mit Griechenland und den Reichtum seiner Gräber als bedeutendes regionales und internationales Zentrum zu charakterisieren, bietet sich für eine Untersuchung in diesem Kontext an: Der Ort weist nach seiner Aufgabe in frühhellenistischer Zeit keine grossflächige, spätere Überbauung mehr auf, das Gelände befindet sich wegen seiner früheren Lage inmitten der Lagune in einem kaum gestörten Zustand und Grabungen haben nur in beschränktem Umfang stattgefunden.
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