Zerbrochene Utopien. Die Klagelieder als literarische Inszenierung einer Katastrophe und ihrer Verarbeitung
04.07.2016Gastvortrag von Prof. Dr. Christian Frevel (Ruhr-Universität Bochum) im Rahmen der Ringvorlesung "Exil, Flucht, Vertreibung Deportation im Altertum"
Termin: | Montag, 4. Juli 2016 |
Zeit: | 18.15 Uhr |
Ort: | Toscanasaal im Südflügel der Würzburger Residenz, Tor 2A, 2. Etage |
Weh, wie einsam sitzt da, die einst so volkreiche Stadt“ – so beginnen die Klagelieder Jeremias. Schon damit spielen sie auf die erzwungene Migration im Zusammenhang der Eroberung Jerusalems 587/86 v. Chr. an. Jerusalem ist verlassen und menschenleer und erinnert sich der blutbesudelten Opfer, die durch die Straßen wanken, der verhungernden Kinder während der Belagerung und der Vergewaltigung der Frauen während der Eroberung.
Es sind Bilder die in unübertroffener Dichte die Katastrophe und ihre Folgen vor Augen stellen. Dem idealisierten „einst“ wird das zerbrochene „jetzt“ gegenübergestellt und damit der Zusammenbruch „groß wie das Meer“ (Klgl 2,13) markiert. Vieles davon ist Stilisierung und literarische Inszenierung der Katastrophe, weniger historische Schilderung aus der unmittelbaren Rückschau des Exils. Damit werden die Klagelieder zu einem besonderen Stück biblischer Katastrophenliteratur und in gewissem Sinne auch der Exilliteratur.
Ausgehend von den fünf Lamentationen Jeremias stellt der Vortrag biblische und historische Sichten auf die mit der Eroberung Jerusalems verbundene Deportation und das anschließende Exil im 6. Jh. v. Chr. vor.
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