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Würzburger Altertumswissenschaftliches Zentrum

SS 2014 - Von Vögeln, Schweinen und Bären. Tiere in antiken Kulturen

  


Alle nachfolgenden Vorträge finden im Toscanasaal in der Residenz (Tor 2A, 2. Etage) um 18:15 Uhr statt. 

Montag, den 14. April 2014: 

PD Dr. Rosel Pientka-Hinz (Philipps-Universität Marburg)
Klaue, Stachel, Zahn - altorientalische Tiersymbolik vor dem Hintergrund moderner Ordnungssemantiken

Unmittelbar mit dem Einzug menschlichen Lebens in den vorderasiatischen Raum des sogenannten ‚Fruchtbaren Halbmonds’ verweisen die Spuren einer sowohl materiellen als auch symbolischen Produktion auf eine starke Trennung, dann aber auch wieder Durchdringung von Naturdingen und kulturellen Errungenschaften – dabei spielte der praktische ebenso wie der ideologische Umgang mit Pflanzen und Tieren eine herausragende Rolle. Es wurde gejagt und gesammelt, gezüchtet und angebaut, gehegt und gepflegt. Früheste Darstellungen von Tieren zeigen bedrohliche Adler und Löwen, Schlangen und Skorpione, daneben friedfertige Schafe und Rinder, Esel und Ziegen. Bereits die ältesten altorientalischen Texte listen Wildtiere neben Haustieren auf, prahlen mit ihren Zuchterfolgen. Später lesen wir von Königen stark wie Löwen, Helden ungestüm wie Auerochsen, Feinden hinterlistig wie Schlangen, Frauen fruchtbar wie Milchkühe.

Zweifelsohne spielte die Abgrenzung einer behüteten Menschenwelt von der gefahrvollen wilden Außenwelt durch die Jahrtausende eine bedeutende Rolle, war immer wieder Thema in allen medialen Bereichen, prägte das soziale Miteinander ebenso wie den Umgang mit der transzendenten Götterwelt. Im Vortrag wollen wir uns der Problematik aus ihren ‚Schwachstellen’ heraus nähern. Mit einem kritischen Blick auf die immer wieder ins Feld geführte Natur/Kultur-Dichotomie wollen wir nach den Grenzen suchen zwischen der zivilisierten Welt und der Wildnis, nach den Übergängen zwischen Sicherheit und Gefahr, nach einem dritten Bereich, in dem die Sphären sich vermischen und gerade mithilfe einer bestechenden Tiersymbolik eine entscheidende Ausdrucksform finden. Hier tut sich eine Welt von Monstern auf, werden Drachen geboren, vermischen sich scheinbar gegensätzliche Kräfte, hier zeigt sich die Unreinheit des Schweins und die Macht der Fliege, entspringen die Impulse für Rituale im Umfeld von blutigen Löwenkämpfen und unheimlichen Schlangenbeschwörungen.

Montag, den 28. April 2014: 


Prof. em. Dr. iur. Dr. h.c. Andreas Wacke, LL.D. h.c. (Universität zu Köln)
Der Vogel Strauß als frühes Beispiel für Gesetzesanalogie: ein Phantasma? 
Grenzfragen der römischen Tierhalterhaftung für wilde Vierfüßer, Zweifüßer und „Keinfüßer“

Bei der Schadensverursachung durch ein vierfüßiges Tier war nach den XII Tafeln (von 450 vor Chr.) die actio de pauperie gegeben. Paulus D. 9,1,4 befürwortete eine actio utilis, wenn ein „anderes Tier“ Schaden anrichtete. Das Schrifttum zur juristischen Methodenlehre nennt den Vogel Strauß als frühes Exempel für eine Gesetzesanalogie. Nach Theo Mayer-Maly kommt jedoch ein struthio camelus in den Digesten überhaupt nicht vor. Woher kommt dann der Mythos von dem großen zweibeinigen Laufvogel? Die Frage gibt Anlass zu einem Ausflug in die antike (und moderne) Zoologie. Und welche anderen Lebewesen kommen für eine entsprechende Anwendung der Tierschadensklage in Betracht? Der mit Lichtbildern illustrierte Vortrag wird auch Bären und Schlangen behandeln.

Montag, den 12. Mai 2014: 


Prof. Dr. Stephanie Böhm (Julius Maximilians-Universität Würzburg)
Korinthische Tiergefäße. Düfte, Gaben und Symbole

Figürliche Salbölgefäße in Form von Tieren gehören zu den originellsten Schöpfungen korinthischer Töpfer des 7. und 6. Jhs. v. Chr. Gefunden in Heiligtümern und Gräbern, stellt sich die Frage nach ihrer Bedeutung. Sie erweisen sich als Zeichen einer kodifizierten Bildwelt und eines komplexen Symbolsystems, das zu entschlüsseln uns offenbar nur in kleinen Schritten gelingt. So läßt sich der Symbolcharakter der korinthischen Figurenvasen nur vor dem Hintergrund der archaischen Werte- und Gesellschaftsordnung verstehen.      

Montag, den 16. Juni 2014:

Prof. Dr. theol. Judith Gärtner (Universität Osnabrück)
Kuh und Bärin werden (miteinander) weiden (Jes 11,7) – Die Tiere des Tierfriedens in Jes 11

Der Vortrag von Frau Gärtner muss wegen unaufschiebarer beruflicher Verpflichtungen leider entfallen.

Montag, den 30. Juni 2014: 

Prof. Dr. Jochen Althoff (Johnnes Gutenberg-Universität Mainz)
Plutarchs Schrift Bruta animalia ratione uti (oder: Gryllos)

Das erstaunliche kleine Werk greift auf die bekannte Kirke-Episode im zehnten Buch der Odyssee zurück. Kirke hatte einen Erkundungstrupp des Odysseus durch Anwendung ihrer Zauberkunst in Schweine verwandelt. Später gelingt es Odysseus mit göttlicher Hilfe, seine Gefährten aus ihrem tierischen Dasein zu befreien. Am Beginn von Plutarchs Schrift finden wir Kirke und Odysseus im Gespräch darüber, wie er seine Gefährten wieder in Menschen rückverwandeln kann. Kirke antwortet, dass die betroffenen Schweine dies selbst entscheiden müssten. Die hinderliche Sprachbarriere beseitigt Kirke, indem sie einem Schwein namens Gryllos ("Grunzer") die menschliche Sprache verleiht. Mit ihm unterhält sich Odysseus dann, und es stellt sich zu seinem Erstaunen heraus, dass das Schwein, das vormals ein Mensch war, gar keine Ambitionen hat, wieder in seine menschliche Gestalt zurückzukehren. Vielmehr legt es die zahlreichen Vorteile tierischen Lebens dar, die im Wesentlichen darauf hinauslaufen, dass die Tiere von menschlicher Verdorbenheit in moralischen Fragen völlig frei sind.
Das Werk bricht mitten in einem Argument über die Gottesfurcht der Tiere ab, ist also unvollständig. Sehr wahrscheinlich musste aber Odysseus am Ende dieses Dialogs erkennen, dass sein ursprünglicher Plan tatsächlich sinnlos ist, weil die Tiere den Menschen vielfach überlegen sind. 
Der Vortrag will zunächst einmal dieses selten gelesene Werk vorstellen und die philosophischen und literarischen Hintergründe erhellen. Im Vordergrund soll die Frage stehen, welches Bild von der Tierwelt Plutarch in dieser Schrift entwickelt.