Intern
Würzburger Altertumswissenschaftliches Zentrum

WS 2015/16 - Macht und Geist. Literatur und Monarchie im Altertum

Der Herrscher und der Intellektuelle – zwei soziale Rollen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Der eine ist konzentriert auf Machterhalt und Staatswohl, der andere ist seinem moralischen, künstlerischen oder wissenschaftlichen, jedenfalls individuellen Ethos verpflichtet. Verkörpert werden diese Idealtypen aber von lebenden Menschen. Deshalb kann einer solchen Begegnung eine fruchtbare Zusammenarbeit entspringen, die einem ägyptischen König Legitimität verschafft und einem kreativen Schriftsteller Freiraum für brillante Gedichte. Genauso können daraus Herrschaftskritik, Hofintrigen, Hinrichtung und Mord werden. Anschauungsmaterial  für beides werden die verschiedenen Vorträge der Ringvorlesung dieses Wintersemesters geben. Experten aus dem In- und Ausland werden das Thema von Assyrien bis zum spätrömischen Reich verfolgen.

Ort und Zeit: Toscanasaal im Südflügel der Residenz (Tor 2A, 2. Etage), jeweils montags um 18:15 Uhr

Montag, 19. Oktober 2015

Prof. Dr. Nils P. Heeßel (Universität Würzburg)
Nabû-zuqup-kēnu & Söhne.
Eine Gelehrtenfamilie im Dienst des assyrischen Königs

Im ersten Jahrtausend v. Chr. ließen sich die assyrischen Könige von zahlreichen Gelehrten beraten, die für sie die Zeichen der Götter am Himmel wie auf der Erde lasen, die Durchführung der Riten überwachten oder ihnen als Heiler dienten. Diese „Wacht des Königs“ zu halten, wie es die Gelehrten nannten, brachte ihnen nicht nur Anerkennung und materielles Wohlergehen ein, sondern ermöglichte ihnen auch, großen Einfluß auf die Geschicke des Landes zu nehmen. Nabû-zuqup-kēnu war ein solch hochrangiger Gelehrter, der am Ende des achten vorchristlichen Jahrhunderts dem assyrischen König Sargon diente; auch seine Nachkommen bekleideten einflußreiche Ämter unter späteren assyrischen Königen. Durch die Rekonstruktion der Bibliothek des Nabû-zuqup-kēnu sowie durch Briefe seiner Söhne lassen sich die wissenschaftlichen Interessen und politischen Ambitionen dieser Gelehrtenfamilie nachzeichnen.

Montag, 2. November 2015

Dr. Ivana Petrovic (Universität Durham/Berlin)
Callimachus’ gods and the kings:
epiphany and power

Der Vortrag untersucht die Hymnen des hellenistischen Dichters Kallimachos (4./3. Jahrhundert v. Chr.) unter folgenden Gesichtspunkten:

  • Die Entstehung des Herrscherkults in der hellenistischen Epoche
  • die Art der Institutionalisierung des Herrscherkults und dessen Umsetzung nach dem Vorbild der Götter
  • die treibende Kraft, Ursprünge und ersten Erscheinungsformen der Vergöttlichung sowie
  • die bedeutende Rolle, die die Epiphanie als religiöses Phänomen während dieses Prozesses innehatte.

Warum wurden einfache Menschen in den Status von Göttern erhoben?
War das ein Zeichen für den Niedergang der traditionellen griechischen Religion?
Wie wurde vorgegangen, um solche Kulte einzuführen, und von wem ging die Initiative dazu aus?

Die Macht der hellenistischen Könige erlaubte es ihnen, ganze Gemeinschaften in bis dahin nicht belegtem Ausmaß zu beeinflussen. Ihre Taten konnen mit göttlichen Eingriffen verglichen werden und die Ehrungen, die ihnen zuteil wurden, reflektierten sowohl ihren Status als auch ihre Macht in den Augen der Gemeinschaft, die ihnen beides verlieh.

This paper focuses on Callimachus’ Hymns in order to discuss the emergence of the ruler cult in the Hellenistic period, the way the cult of rulers was instituted and modelled upon that of divinities, the agency, origins, and early manifestations of deification, and the prominent role epiphany as a religious phenomenon played in this process.

What was the reason for elevating mere humans to the status of divinities? Was this a sign of decline of traditional Greek religion? What was the procedure for introducing such cults and whose was the initiative?
Hellenistic kings had the power to affect whole communities in a hitherto unattested ways. Their acts can be compared to epiphanic divine interventions, and the honours allotted to them reflected their status and power in the eyes of the community that bestowed them.

Montag, 16. November 2015

Prof. Dr. Jula Wildberger (Universität Paris)
Senecas Sorge um das Selbst.
Ethik als Politik mit anderen Mitteln?

Nachdem er seinen Einfluss auf Kaiser Nero verloren hatte, zog sich L. Annaeus Seneca, der Mann, der im Namen seines Schützlings bisher die Geschicke des römischen Reiches gelenkt hatte, aus der Öffentlichkeit zurück, um sich fortan ganz der Philosophie und der Sorge um seine Seele zu widmen. So lautet ein Narrativ, das man über den berühmtesten Stoiker und Literaten des ersten Jahrhunderts n.Chr. konstruieren kann. Doch wie plausibel ist es, daß jemand nach einer so beispiellosen Karriere und jahrelangem zähen, höchst gefährlichen Ringen um die Macht all seine bisherigen Ambitionen ersatzlos aufgibt?

Dieser Vortrag wird nach der politischen Dimension von Senecas Rückzug forschen und prüfen, inwieweit der Autor „Seneca“, der uns in des Philosophen Spätschriften entgegentritt, eine neue Strategie verkörpert, die es dem Machtmenschen L. Annaeus erlaubt, sein politisches Wirken mit anderen Mitteln fortzusetzen.

Montag, 30. November 2015

Prof. Dr. iur. Ulrike Babusiaux (Universität Zürich)
Papinian und Caracalla.
Spuren einer wechselhaften Zusammenarbeit in der römischen Rechtsliteratur

Der Jurist Aemilius Papinianus wurde 212 n. Chr. hingerichtet, weil er sich weigerte, den Mord des Kaisers Caracalla an dessen Bruder Geta zu rechtfertigen.

Ein Blick in die römische Rechtsliteratur, wie sie in den Digesten Justinians überliefert ist, wirft ein Licht auf die Rolle, die Papinian im Dienst der Kaiser Septimius Severus und Caracalla als Rechtsberater, Prinzenerzieher und Prätorianerpräfekt spielte.

Montag, 14. Dezember 2015

Prof. Dr. Ursula Verhoeven-van Elsbergen (Universität Mainz)
Neferti, Amenemhet und Kairsu im Kontext:
Vom Umgang mit altägyptischer Literatur zum Königtum

Die „Prophezeiung des Neferti“, die „Lehre des Königs Amenemhet I.“ und die „Loyalistische Lehre des Kairsu“ gehören zur berühmten Schulliteratur des Neuen Reiches. Alle drei Werke thematisieren das Königtum und sind überwiegend auf mobilen Schriftträgern überliefert.

In einem Grabraum des frühen Mittleren Reiches wurden sie jedoch in ihrem fiktiven Zeitbezug innerhalb der alten Wandmalereien neu inszeniert. Der Vortrag stellt die Inhalte der Texte sowie Überlegungen zu diesem ungewöhnlichen Befund vor.

Montag, 11. Januar 2016

Prof. Dr. Michael Erler (Universität Würzburg)
‘Disertus vel desertus’ (conf. 2, 3, 5).
Augustinus als Panegyriker und Anti-Panegyriker

Das von Augustinus propagierte und verkörperte Ideal vom Redner (orator) ist ein Beispiel für die christliche Umprägung eines pagan-antiken Konzeptes, bei der Traditionelles und Neues kenntlich sind. Diese Umprägung läßt sich mit jener Transformation vergleichen, die Platon schon zuvor an der traditionellen Rhetorik vollzogen hatte.

Konvergenzen und Divergenzen in beiden Prozessen geben Augustinus’ Position Profil. Postuliert Platon, daß Rhetorik zum Mittel der Wahrheitssuche werden müsse, so verlangt Augustinus, daß sie Mittel der Verkündung von christlicher Wahrheit zu sein hat.

Der von Augustinus vollzogene Umprägungsprozeß soll mit demjenigen Platons verglichen und am Beispiel der Panegyrik durch Hinweise auf Unterschiede in Theorie und Praxis beim Redner und beim Bischof Augustinus illustriert werden.