Präsenzkulturen. Über Praktiken und Diskurse körperlicher Anwesenheit

Unter (Ko-)Präsenz sind solche Situationen zu verstehen, bei denen sich Menschen in direkter körperlicher Nähe befinden: in denen sich Akteure also empirisch ungebrochen sehen, hören, riechen, berühren können. Präsenzkulturen sind ihrerseits geprägt von einem ganzen Set an Regeln, Ritualen und Verhaltensweisen, um diese gemeinsame Anwesenheit zu gestalten – etwa durch den Handschlag zur Begrüßung, das Kopfschütteln und Zunicken etc. Alltägliche Präsenzkulturen ermöglichen über hochgradig implizites Körperwissen bruchlose Kommunikation: Man denkt in der Regel nicht darüber nach, wie man Hände schüttelt, sich verabschiedet etc.

Mit der Zunahme digitaler Kommunikation zwischen Abwesenden ist die Bedeutung von Präsenz etwas aus dem (wissenschaftlichen) Blick geraten. Während der Corona-Pandemie ist jedoch deutlich geworden, wie sehr Präsenzkulturen zur Gestaltung und Wahrnehmung des Alltags als Normalitätsraum beitragen; dass also das sog. normale Leben ein Leben ist, das vornehmlich in Anwesenheit abläuft; und ebenso können wir gerade beobachten, welche „Krisen“ (i. S. H. Garfinkel) ausgelöst werden, wenn diese Normalität gestört wird - indem Anwesenheits- zu Abwesenheitskulturen umgestaltet werden.

Im Seminar sollen die Teilnehmer:innen diese Gedanken zum einen theoretisch nachvollziehen, indem alltagstheoretische Klassiker diskutiert werden, vornehmlich aus dem Symbolischen Interaktionismus, der Ethnomethodologie und der Systemtheorie. Zum anderen sollen die Teilnehmer:innen diese Überlegungen empirisch, in Fallstudien, bearbeiten: Wie erleben bzw. erfahren Menschen als leibhaftige Akteure Präsenz, wie gestalten sie Präsenzkulturen?

Anmeldung und weitere Informationen über WueStudy.