Technische Hochschule Deggendorf
Inklusion sehbeeinträchtigter Studierender durch die Implementierung assistiver Technologien und Universal Design in Lern-Management-Systemen
- Hintergrund
Barrierefreiheit im virtuellen Raum wird mehr und mehr ein Thema an bayerischen Hochschulen. Insbesondere Studierende mit Sehschädigung können oft nur in geringem Maße an Lern-Management-Systemen wie zum Beispiel Moodle partizipieren, weil die graphische Benutzeroberfläche die Zugänglichkeit zu digitalen Lerninhalten erschwert. Vor dem Hintergrund einer stetig wachsenden Nutzung virtueller Lehre und einer zunehmenden Digitalisierung an Hochschulen im Rahmen von E-Learning und Blended Learning-Angeboten rückt die Frage in den Mittelpunkt, wie Hochschulen und Universitäten die Inklusion sehbehinderter Studierender erfolgreich gestalten können. Eine mögliche Antwort bieten der Einsatz assistiver Technologien und die Verwendung von Universal Design in Lern-Management- Systemen (Capovilla & Gebhardt, 2016). Lern-Management-Systeme (LMS) sind computer-basierte Lernumgebungen zur Bereitstellung und Organisation von Lerninhalten und -prozessen, wie etwa Moodle. Assistive Technologien sind Technologien, die versuchen, die physischen Beeinträchtigungen von Studierenden so auszugleichen, dass sie sich autonom in der Hochschule bewegen und in Lehr-Lern- Kontexte einbringen können, wie zum Beispiel Screen Reader. Universal Design beschreibt die Gestaltung von (digitalen) Lebensräumen, die von einer möglichst großen Zahl von Studierenden genutzt werden kann.
- Ziele
Zielsetzung des Projektes ist es, Barrieren im virtuellen Raum an Hochschulen abzubauen und die Zugänglichkeit zu digitalen Lerninhalten zu erhöhen. Zielgruppe sind dabei Studierende mit einer Sehschädigung bzw. Sehbehinderung. Konkret untersucht das Projekt die Fragestellung, wie assistive Technologien und Universal Design in das bestehende Lern-Management-System der TH Deggendorf umgesetzt und implementiert werden können. Das Projekt beinhaltet vier Teilziele:
(1) Einsatz von Screen Readern im Lern-Management-System (LMS) Moodle
(2) Die Entwicklung von Checklisten für Dozierende zur Gestaltung barrierefreien
Lehrmaterials
(3) Erprobung der Checklisten
(4) Die Bestimmung des weiteren Bedarfs zur barrierefreien Gestaltung digitaler
Lehr-Lern-Szenarien
2.1. Einsatz von Screen Readern im Lern-Management-System (LMS) Moodle
Die Screen Reader Technologie ist ein mittlerweile etablierter Standard (Miesenberger, 2015), der einen mehrdimensionalen Bildschirminhalt vereinfacht und mittels Sprachausgabe ausliest. Screen Reader dienen dabei nicht nur als Vorlese-Software, sondern erfüllen ganz konkret die Aufgabe, die Komplexität des Bildschirminhalts auf die wesentliche Information zu reduzieren und für die Informationsaufnahme aufzubereiten. Es wird das Verhalten der Screen Reader Technologie im LMS der Technischen Hochschule Deggendorf untersucht, um sehbehinderten Studierenden eine bestmögliche Zugänglichkeit zu den dortigen Lerninhalten und -prozessen zu ermöglichen.
2.2. Die Entwicklung von Checklisten für Dozierende zur Gestaltung barrierefreien Lehrmaterials
Das Lehrpersonal an Hochschulen und Universitäten ist nicht immer auf Studierende mit Sehschädigung eingestellt, so dass die Lehrmaterialien oder die E-Learning-Umgebung zum Teil relativ schwer zugänglich sind, weil sie von einem Universal Design abweichen und daher von einem Screen Reader nicht immer optimal in eine Sprachausgabe übersetzt werden können. Daher verfolgt das Projekt das Ziel, eine Checkliste zu entwickeln, mit denen Dozierende bestehende Lehrmaterialien umstrukturieren bzw. neues Material barrierefrei erstellen können. Die Checklisten dienen damit der Umsetzung eines Universal Designs innerhalb von Moodle und unterstützen so die Heterogenität von Minoritäten an Hochschulen.
2.3. Erprobung der Checklisten
Im Anschluss an die Entwicklung werden die Checklisten auf Praktikabilität erprobt. Hierbei sollen die Dozierenden für die Bedürfnisse von sehbehinderten Studierenden sensibilisiert werden. So kann ein Bewusstsein beim Lehrpersonal geschaffen werden für die Umstellung auf- bzw. Neugestaltung von barrierefreiem Lehrmaterial, das dank Universal Design optimal von Screen Readern ausgelesen werden kann. Dabei können Erfahrungen und Evaluationsergebnisse gewonnen werden, die für die Weiterentwicklung der Checklisten und einer Bereitstellung an anderen Hochschulen und Universitäten wesentlich sein kann.
2.4. Die Bestimmung des weiteren Bedarfs zur barrierefreien Gestaltung digitaler Lehr-Lern-Szenarien
Die ersten drei Projektziele fokussieren stark auf Studierende mit Sehschädigung in LMS-Umgebungen. Das vierte Projektziel widmet sich neben Sehschädigung weiteren körperlichen Behinderungen bzw. weiteren digitalen Lernumgebungen jenseits von Moodle. Zum weiteren Ausbau der Barrierefreiheit in virtuellen Räumen hat das Projekt das Ziel, mittels einer Befragung von körperlich behinderten Studierenden den Unterstützungsbedarf zu bestimmen, um dieser Zielgruppe eine möglichst vollständige Integration in den Lehr-Lern-Alltag an Hochschulen zu ermöglichen. Dabei werden weitere Behinderungen und Lernszenarien, berücksichtigt.
- Projektorganisation
Projektort: TH Deggendorf, Institut für Qualität und Weiterbildung (IQW), E-Learning-Zentrum
Projekteam: Dr. Andreas Gegenfurtner, Klaus Kandlbinder, Dr. Martina Reitmaier-Krebs,Wolfgang Stern
Projektzeitraum: 01. Februar 2017 bis 31. Januar 2018 (12 Monate)
Projektkontext: Teilprojekt im Praxis- und Forschungsverbund „Inklusive Hochschule und barrierefreies Bayern“.
Leitung des Verbunds: Prof. Dr. Reinhard Lelgemann, Universität Würzburg
- Literatur
Capovilla, D., & Gebhardt, M. (2016). Assistive Technologien für Menschen mit Sehschädigung im inklusiven Unterricht. Zeitschrift für Heilpädagogik, 67 (1), 4-15.
Miesenberger, K. (2015). Advanced and emerging solutions: IKT and AT in education of low vision and blind students. In G. Kouroupetroglou (Ed.), Proceedings of the International Conference on Enabling Access for Persons with Visual Impairment (S. 17-26). Athen: ICEAPVI.