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Lehre

Digital ins Sommersemester VII

05.05.2020

Das Digitalsemester erfordert von Studierenden und Lehrenden viel Kreativität, Engagement und Mut, neue Methoden zu erproben. Wie sich dabei auch die Rolle des Dozenten verändert, zeigt ein Beispiel aus der Informatik.

Das Heimstudio mit den wichtigen Zutaten: Zwei Bildschirme/Rechner und ein Tablet mit Stifteingabe. Auf dem großen Monitor läuft bereits eine Präsentation mit Decker; dieser wird in der Videokonferenz den Studierenden gezeigt (screen sharing). Auf dem Notebook läuft das Konferenz- oder das Schneidesystem. Das Tablet bedient per Stifteingabe das Whiteboard. Alles gut beleuchtet und durch Stoffe am Boden und an den Wänden akustisch gedämmt. Ein paar Kopfhörer und ein Mikrophon, Radio, Wasser und Schmerzmittel – fertig ist der E-Hörsaal und das E-Studio.
Das Heimstudio mit den wichtigen Zutaten: Zwei Bildschirme/Rechner und ein Tablet mit Stifteingabe. Auf dem großen Monitor läuft bereits eine Präsentation mit Decker; dieser wird in der Videokonferenz den Studierenden gezeigt (screen sharing). Auf dem Notebook läuft das Konferenz- oder das Schneidesystem. Das Tablet bedient per Stifteingabe das Whiteboard. Alles gut beleuchtet und durch Stoffe am Boden und an den Wänden akustisch gedämmt. Ein paar Kopfhörer und ein Mikrophon, Radio, Wasser und Schmerzmittel – fertig ist der E-Hörsaal und das E-Studio. (Bild: privat)

Im siebten Beitrag der einBLICK-Serie „Gute Beispiele für digitale Lehre“ kommt Professor Marc Erich Latoschik zu Wort. Der Inhaber des Lehrstuhls für Mensch-Computer-Interaktion an der Fakultät für Mathematik und Informatik ist dabei, zum Start ins Digitalsemester seine Lehrveranstaltungen komplett neu zu strukturieren und zu gestalten.

Quizze bringen Abwechslung in die Lehrveranstaltung

„Ich orientiere mich an der maximalen Aufmerksamkeitsspanne meiner Zuhörer. Diese liegt, wie von Mediendidaktikern empfohlen, bei maximal rund zehn bis 15 Minuten“, sagt Marc Latoschik. Nach spätestens 15 Minuten also endet jeweils eine Video-Sequenz seiner Online-Vorlesungen und es schließt sich eine Aktivierungsrunde für ein Resümee des bisherigen Stoffs an.

„Hierfür erstelle ich neue Quizze, die Abwechslung in die Lehrveranstaltung bringen. So können meine Studierenden das soeben Gehörte und Gesehene im Selbst-Studium wiederholen, vertiefen, Wissen verknüpfen und offene Fragen zum Veranstaltungsthema klären“, erklärt Latoschik. „Die Studierenden bleiben nach einer Videosequenz einfach im selben Browser, starten das Quiz und werden selbst aktiv: Von Fragen geleitet heißt es jetzt, die richtigen Begriffe zu finden, auch mal einen Freitext zu formulieren oder assoziativ Bilder mit einem Fachbegriff zu kombinieren.“

Ein Quiz inklusive der Anmerkungen und Kommentare bei den Antworten dauert je nach Schwierigkeit bis zu zehn Minuten. Wer sich tiefer in den Lernstoff einarbeiten möchte, für den steht das interaktive Quiz auch im Nachgang jederzeit zur Verfügung.

Lehrinhalte interaktiv gestalten

In Kooperation mit der Universität Bielefeld und der Beuth Hochschule Berlin haben Marc Latoschik und sein Team am Lehrstuhl für Informatik IX in den vergangenen Jahren ein eigenes E-Learning-Tool entwickelt, das im Rahmen des „Qualitätspakt Lehre an der JMU“ mit gefördert wird. Bereits seit einigen Semestern ist es an mindestens fünf Hochschulen im Einsatz.

Im digitalen Sommersemester 2020 werden aus aktuellem Bedarf eine Reihe neuer Features realisiert, speziell die Quiz-Unterstützung für das Selbstlernen. Dies ist eine echte Generalprobe für das E-Authoring-Werkzeug „Decker“ und für alle Beteiligten im engen zeitlichen Korsett zwischen der Entwicklung und Erprobung neuer Funktionen und dem sofortigen Einsatz für laufende Veranstaltungen. Mit Decker können Lehrende der Universität Würzburg interaktive, mit Multimedia angereicherte Präsentationen und E-Learning-Inhalte über ein einfaches Format schnell und einfach erstellen. Das Ergebnis lässt sich in jedem Web-Browser ansehen und steht damit auf allen Web-fähigen Endgeräten, von Desktop-PCs bis Smartphones, zur Verfügung.

Decker berücksichtigt im Gegensatz zu alternativen Werkzeugen insbesondere wissenschaftliche Ansprüche, vom akkuraten Formelsatz über die Einbindung datengetriebener Visualisierungen bis zum Umgang mit Literaturreferenzen und vielem mehr. Das zugrunde liegende Datenformat ist dabei quelloffen und textbasiert und schützt so die Lehrmaterialien auch für eine zukünftige Nutzung. Der oft gescholtene vendor-lock-in, also die Abhängigkeit von speziellen Firmeninteressen, ist hier kein Thema. Die Erstellung von guten Lehrmaterialien ist aufwändig und teuer – Decker unterstützt daher explizit einen offenen Wissenschafts- und Lehraustausch.

Nahtlose Kombination von Lern- und Prüfungsinhalten

Der Lehrstuhl für Informatik IX setzt „Decker“ bereits seit mehreren Semestern in der Lehre ein. Weitere Fächer, wie beispielsweise die Romanistik, nutzen ebenfalls das Werkzeug, um E-Learning-Kurse aufzubereiten. Alle wichtigen Funktionen des Tools sind bereits für Lehrende der Uni Würzburg verfügbar: darunter das Anzeigen von Videoclips und Bildern aus unterschiedlichen Quellen, das Erstellen von oder Kommentieren der vorhandenen Inhalte mit dem integrierten elektronischen Whiteboard, dynamische Referenzlisten und viele mehr. Aktuell kommt jetzt das Erstellen von interaktiven Quizfragen dazu, welche später im gleichen Format für die Erstellung von Klausuren und Tests (elektronisch oder auf Papier) zur Verfügung stehen: Eine nahtlose Kombination von Lern- und Prüfungsinhalten.

„Wichtig beim Einsatz von Decker ist dessen reibungslose Einbindung in die Lernplattformen wie dem WueCampus-System. Grundsätzlich haben in diesem Ausnahmesemester die reibungslosen Übergänge insbesondere für die Kommunikation mit unseren Studierenden hohe Bedeutung: von WueCampus zu WueStudy sowie zu den Webseiten des Lehrstuhls“, stellt Latoschik fest.

Die neue Rolle des Dozenten

 „Meine ersten Live-Vorlesungen sind sehr gut gelaufen. Ganz wichtig dabei: Wir waren immer zu zweit im Chat aktiv“, berichtet der Dozent. „Wenn sich im Chatverlauf die Fragezeichen häufen, spätestens dann bin ich als Dozent auf ein Signal angewiesen – dieses kommt von meinem Kollegen, er ist mir ebenfalls per Video zugeschaltet. Er ist mein Moderator und sozusagen mein Kanal im Chat, wenigstens er lächelt mir einmal zu – ich selbst stehe ja ohne viel Reaktion meiner Zuhörer da.“

In der Rolle des Dozenten sei in diesen Wochen sehr viel Neues aufgetreten, ganz besonders die eigene Präsentation vor der Zuhörerschaft: „Man merkt an sich selbst: Ich habe keinen Rückschluss darauf, wie mir meine Zuhörer folgen. Habe ich Leute abgehängt? Gibt es fragende Blicke, gerunzelte Stirnen? Wir hoffen auf das richtige Tempo“, so Marc Latoschik.

„Im Videoclip sollte man natürlich immer motivierend auftreten“, auch wenn aus dem „Off“ am Ende keine Reaktion der Zuschauer zu spüren sein wird. Ein technischer Tipp des Informatikers für die Videoproduktion: „Kontrollieren Sie immer die Audioqualität. Oft gibt es bei der Videoaufzeichnung im Home-Studio unerwünschte Nebengeräusche oder Halleffekte – am besten immer ein Headset tragen und auf Dämpfung achten.“

„Womit gebe ich mich zufrieden?“

Der Mehraufwand pro Woche sei enorm, stellt Latoschik am Beispiel Quiz dar: Vier bis sechs zusätzliche Aufgaben sei der Zielkorridor pro Quizeinheit. Die Erstellung einer neuen Aufgabe kostet inklusive Probe bis zu maximal einer Stunde extra, zum Beispiel bei umfangreichen Berechnungen. Bei sechs Aufgaben pro Quizblock sind das dann bis zu sechs Stunden – auf eine Vorlesungseinheit mit sechs Quizblöcken hochgerechnet kann dies einen Mehraufwand von 36 Stunden bedeuten. „Diese Aufwände kennt jede und jeder von der Erstellung guter Tests und Klausuren. Hier muss und wird man momentan Kompromisse eingehen müssen“, so der Informatiker.

„Ganz abgesehen von der Produktion der Videosequenzen: Für ein qualitativ zufriedenstellendes Video von insgesamt 90 Minuten setze ich einen Produktionsaufwand von absolut mindestens vier Stunden an“, so Latoschik. Dies beinhaltet allein das Einrichten des Produktionssystems, die Aufnahme selber und ein einmaliges Abhören zur Kontrolle, ob es nicht schon technische Probleme zwischendurch gab. Jede Neuaufnahme verlängert den Aufwand immens. „Da stellt sich uns Dozierenden nun von Woche zu Woche die Frage: Womit gebe ich mich zufrieden, was Ton, Schnitt und Bild betrifft? Meine Kontrollinstanz vor dem Live-Vorlesungstermin bin ich selbst, ich schaue mir vorab meine komplette Aufzeichnung kritisch an. Wenn ich nicht zufrieden bin, geht es wieder von vorne los: Aufnehmen, schneiden, kontrollieren.“

Noch zwei Tipps des Informatikdozenten: „Im Idealfall sollte man vor der Liveshow, egal was man vorhat, das Ganze mit einer nicht-betroffenen Zuhörerschaft testen und mindestens einmal vorab simulieren. Diese Trockenübung lohnt sich! Nichts schlimmer, als wenn die Zuhörer auch nur zehn Sekunden einen schwarzen Screen vor sich haben und die ersten den Kursraum frustriert verlassen.“ Und: „Halten Sie die Aufzeichnungen im besagten Zeitfenster bis maximal 15 Minuten. Besser ist kürzer. Dann schlagen Sie zwei Fliegen mit einer Klappe: Es ist didaktisch besser und es tut nicht so weh, etwas neu aufzunehmen und die Schnitt- und Nachbearbeitungskosten sind viel geringer.“

Webseiten und Kontakt

Der Lehrstuhl für Informatik IX informiert auf seinen Webseiten über den Ablauf des Sommersemesters 2020.
Informationen und Downloads zum E-Authoring-Werkzeug Decker stehen auf den Uni-Webseiten „E-Learning & Blended Learning“ zur Verfügung.

Prof. Dr. Marc Latoschik, Lehrstuhl für Informatik IX (Mensch-Computer-Interaktion), T +49 931 31-85871, marc.latoschik@uni-wuerzburg.de

Weitere Bilder

Von Annette Popp

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