GSIK-Tag: Mehr Gelassenheit in der Migrationsdebatte
17.11.2015Ein Vortrag, 16 Workshops, Infostände und knapp 300 interessierte Besucher: Beim 4. GSIK-Tag zum Thema „Brennpunkt: Migration und Flucht“ war das Interesse groß. Im einführenden Vortrag forderte Professor Karl-Heinz Meier-Braun angesichts der Erfahrungen Deutschlands mit Migration mehr Gelassenheit.
Professor Karl-Heinz Meier-Braun (Tübingen) ist einer der renommiertesten Migrationsexperten Deutschlands. Als Journalist entwickelte er beim SWR zukunftsweisende Formate im Bereich des Migrationsjournalismus. Als Wissenschaftler beschäftigt er sich seit den 1970er-Jahren mit diesem Themenfeld. Am 4. GSIK-Tag der Universität Würzburg vergangenen Samstag erörterte er Zahlen und Fakten zur aktuellen Zuwanderung. Dabei erinnerte er an die Schwierigkeiten der Integration in Deutschland nach dem Krieg, verwies aber auch auf die Erfolge seit den 60er-Jahren. Angesichts der vielfältigen Erfahrungen Deutschlands mit Migration forderte er mehr Gelassenheit in der Debatte, aber auch eine Konzentration auf die Erkenntnisse der vergangenen größeren Migrationsbewegungen. Zuwanderung, darauf verwies er mehrfach, sei angesichts des demografischen Wandels alternativlos.
Interkulturelle Situationen als Bildungsanlass
Eröffnet hatte den GSIK-Tag, der im Zentralen Hörsaal- und Seminargebäude am Hubland-Campus stattfand, Professor Andreas Dörpinghaus, wissenschaftlicher Leiter und Sprecher des GSIK-Projekts. Er verwies auf die bildende Bedeutung interkultureller Erfahrungen. Bildung und Erfahrung, so der Bildungsphilosoph, seien untrennbar miteinander verwoben. „Der Mensch bildet sich in der reflexiven Auseinandersetzung mit sich, in wechselseitigen Bezügen zu anderen Menschen und der Welt, um eine bestimmte Haltung zur Welt einzunehmen“, so Dörpinghaus in Anlehnung an den berühmten Bildungspolitiker Wilhelm von Humboldt. Der kulturell Andere sei dabei ein Fremdes, das unsere gewohnte Weltsicht irritiere.
„Die Mannigfaltigkeit kultureller Erscheinungen stellt somit einen besonderen Raum für Bildungsprozesse dar“, begründete Dörpinghaus die große Bedeutung interkultureller Kompetenz für eine umfassende wissenschaftliche Bildung. Interkulturelle Kompetenz sei in diesem Sinne nicht nur zu verstehen als eine Kompetenz, mit Migranten umgehen zu können, sondern die viel allgemeinere Kompetenz im Umgang mit Anderem, sei es der fremde Mensch oder die ungewohnte Situation, handlungsfähig und handlungswillig zu sein. Der 4. GSIK-Tag habe zum Ziel, solche Bildungsräume zu öffnen.
Kritisch hinterfragte Dörpinghaus aber die Rede vom „Flüchtling“. Der Begriff reduziere den einzelnen Menschen auf eine Kategorie. In erster Linie seien die Menschen, die zu uns kämen, aber „Menschlinge“, so der Pädagoge weiter.
Zum Abschluss lobte Dörpinghaus die Arbeit der Organisatoren und Helfer. „Ohne deren Einsatz und hohe Leistungsbereitschaft wäre dieser Tag nicht realisierbar gewesen.“ Besonders dankte er auch der Sparkasse Mainfranken Würzburg, die es mit einer kurzfristigen Spende ermöglicht habe, den GSIK-Tag würdig zu gestalten.
Grußworte der Hochschulleitung und der Stadt Würzburg
Auch die Universitätsleitung lobte das Engagement des GSIK-Projekts. Vizepräsidentin Barbara Sponholz hob in ihrem Grußwort die Bedeutung des Projekts für die Internationalisierungsbemühungen der Hochschule hervor und verwies dabei auch auf die zweimalige Auszeichnungen des Projekts durch die Deutsche Hochschulrektorenkonferenz (HRK).
In Vertretung der Stadt Würzburg sprach Sozialreferentin Hülya Düber dem Projekt und der Universität ihren Dank aus. Die Universität leiste damit einen bedeutenden Beitrag für das Bemühen der Stadt um eine schnelle und gelingende Integration der Zuwanderer.
Umfangreiches Rahmenprogramm
Nach den Vorträgen im Hörsaal fanden sich die Studierenden in kleinen Gruppen zu Workshops in den Seminarräumen des Gebäudes zusammen. Die Referenten boten 16 Workshops zu acht sehr unterschiedlichen Themengebieten an: Professor Eric Hilgendorf aus der Juristischen Fakultät informierte über „Gesellschaftliche und rechtliche Herausforderungen bei der Integration von Flüchtlingen“. Die Sonderpädagogin Nina Reinsch erarbeitete mit ihren Teilnehmern die Situation von Geflüchteten „Zwischen Traum und Trauma“. Sandra Parisi und Katharina Bögel aus der Tropenmedizin der Missionsärztlichen Klinik Würzburg besprachen in ihren Workshops an einem Fallbeispiel die besondere Situation in der Migrantenmedizin. Susanne Döhnert von der Katholisch-theologischen Fakultät diskutierte mit den Studierenden die vielseitigen Verstrickungen von Religion und Flucht.
Auch der Biologe Dr. Dieter Mahsberg beteiligte sich mit einem Workshop mit dem Titel „Zwischen Helfen und Hassen – unser Verhältnis zu Flüchtlingen“ am GSIK-Tag. Miriam Wurzer und Khulud Sharif-Ali befassten sich als Pädagogen mit der Situation unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge. Im Workshop von Dominik Egger von der GSIK-Zentrale wurden die Studierenden zur Reflexion über ihre eigenen kulturellen Wurzeln aufgefordert. Schließlich bot Burkard Fuchs, Mitarbeiter im Sozialreferat der Stadt Würzburg, die Möglichkeit, sich über die Arbeit der Stadt mit Geflüchteten zu informieren und neue Ideen zu erarbeiten. Daneben konnten sich die Teilnehmer in der Mittagspause im Foyer über die Arbeit verschiedener Helferkreise in Würzburg informieren.
Gute Noten der Teilnehmer
„Eine erste Durchsicht des schriftlichen Feedbacks der Teilnehmer bestätigt einen durchweg positiven Eindruck des Tages“, berichtet Kerstin Surauf von der GSIK-Zentrale. „Wir wollten mit diesem Tag Studierende und die Würzburger Öffentlichkeit erreichen und dazu beitragen, die teils hitzig geführte öffentliche Debatte über Flucht zu versachlichen. Nach den bisher ausgewerteten Rückmeldungen scheinen wir dies erreicht zu haben.“
Infos über das GSIK-Projekt
Das Lehrprogramm GSIK (Globale Systeme und interkulturelle Kompetenz) der Universität Würzburg richtet sich an Studierende aus allen Fachbereichen. Es vermittelt und zertifiziert interkulturelle Kompetenzen und Wissen über Globale Systeme. Finanziert wird das Projekt von der Universität Würzburg. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert mit "GSIKplus" das studienbegleitende Lehrprogramm im „Qualitätspakt Lehre“.
Dominik Egger