Jun. Prof. Dr. Anne Böckler - Lehrstuhl für kognitive Psychologie
12.01.2016Die Psychologin Anne Böckler hat seit Oktober 2015 eine Juniorprofessur am Institut für Psychologie der Uni Würzburg inne. Im Fokus ihrer Forschungsarbeit stehen Aspekte der zwischenmenschlichen Interaktion. Zudem unterrichtet sie am Lehrstuhl für kognitive Psychologie.
Anne Böckler ist Anfang Oktober auf eine Juniorprofessur an die Uni Würzburg berufen worden. Zuvor war sie drei Jahre lang Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig. Studierende bekommen sie aktuell hauptsächlich bei Vorlesungen des Lehrstuhls für kognitive Psychologie der Uni Würzburg zu Gesicht; bei Veranstaltungen in den Bereichen Methodenlehre und Statistik.
"Es ist schon schwierig genug, das menschliche Verhalten zu erforschen. Daher ist es umso wichtiger, gute Methoden richtig anzuwenden. Das möchte ich den Studierenden mitgeben", sagt Böckler, die 2013 an der Raboud Universität im niederländischen Nijmegen promoviert hat.
Kognitionspsychologie, Neurowissenschaften und Sozialpsychologie
Die Forschungsinteressen der in Schwäbisch Gmünd geborenen Wissenschaftlerin, die 2008 an der Humboldt-Universität in Berlin ihr Diplom ablegte, sind weit gefächert. Ihre Arbeiten bewegen sich im Bereich der Kognitionspsychologie, der Neurowissenschaften und der Sozialpsychologie. "Wie interagieren Menschen und welche kognitiven, emotionalen, motivationalen Prozesse liegen dem zugrunde", könnte eine grobe Beschreibung der Fragestellungen sein, denen sich die Juniorprofessorin widmet.
Die Widersprüche, die sich hier auftun, faszinieren Böckler. Auch auf einer etwas höheren Ebene: "Wie kann es sein, dass Menschen so eine hohe Synchronisation und Kooperation hinbekommen – beispielsweise in einem Orchester oder bei der Organisation einer Fußball-Weltmeisterschaft – und sich zugleich das Leben so schwer machen, Kriege führen und anscheinend nicht in der Lage sind, aus der eigenen Geschichte zu lernen?"
Anne Böckler erforscht mit psychologischen und neurowissenschaftlichen Methoden die Grundlagen des sozialen Miteinanders, nähert sich dem Großen und Ganzen in einem kleineren Maßstab: "Ich zeige beispielsweise, wie Blickverhalten als wichtiges Mittel der Kommunikation verarbeitet wird." Im Gehirn passieren beim Erwidern eines Blicks viele Prozesse, die die gesamte Wahrnehmung beeinflussen, "wir reagieren unheimlich sensibel auf Blicke", sagt Böckler.
Beispielsweise kann sich ein Betrachter deutlich besser an fotografierte Personen erinnern, wenn diese ihre Augen auf ihn richten. Und "wir finden Menschen, die uns direkt anblicken, automatisch sympathischer als andere", sagt Böckler.
Unbewusstes messbar machen
Weitere Aspekte dieses Arbeitsbereichs betreffen die Anpassung der Wahrnehmung an unsere Gesprächspartner und die Frage, wie Empathie und Perspektivübernahme zum Verständnis eines Gegenübers beitragen. Die Perspektivenübernahme läuft, wie vieles im Forschungsfeld Psychologie, erst einmal unterbewusst ab. Ein Beispiel: Der Gastgeber schenkt Wein ein, der Gast hält ihm sein Glas hin – ein vermeintlich einfacher Vorgang, bei dem jedoch Unmengen an Daten in den Gehirnen der Menschen in Echtzeit verarbeitet und in Handlungen umgesetzt werden – es findet sogar eine Annahme der räumlichen Perspektive des Gegenüber statt.
"Menschen sind Meister des Improvisierens. Mich interessieren die Prozesse dahinter – auch um Menschen, bei denen das nicht so gut funktioniert, besser zu verstehen", sagt Anne Böckler. Zu nennen wären in diesem Bereich der Psychopathologie Autisten oder Menschen mit ausgeprägter sozialer Ängstlichkeit. Eine Art einheitliche soziale Fähigkeit scheint es allerdings nicht zu geben. "Vielmehr spielen vielfältige und eher unabhängige emotionale und kognitive Fähigkeiten wie Empathie, Mitgefühl und eben Perspektivübernahme eine Rolle, wenn wir mit anderen interagieren", sagt die Psychologin.
Offen für ungewöhnliche Methoden
Noch komplexer wird es, wenn die Forscherin versucht, die Motive der handelnden Personen in sozialen Zusammenhängen mit zu erfassen. So kann ein und dasselbe Verhalten vollkommen unterschiedlich motiviert sein, beispielsweise eine großzügige Spende. Entweder handelt der Spender altruistisch, oder er spendet aus Berechnung, bemüht um die Verbesserung seines Images.
Anne Böckler hat in der Vergangenheit nachweisen können, dass auch die Hilfsbereitschaft eines Menschen beeinflussbar ist, sein Mitgefühl und die Einstellung gegenüber anderen in bedürftigen Situationen. "Wir sind in einer großangelegten Längsschnittstudie am Max-Planck-Institut in Leipzig gerade dabei herauszufinden, ob sich echte Hilfsbereitschaft durch Meditationspraktiken vergrößern lässt. Erste Befunde sind vielversprechend", sagt die Forscherin, die selbst nicht so viel Zeit für meditative Pausen hat, wie sie es sich wünschen würde.
Interessiert an Menschen
Dass Anne Böckler überhaupt eine wissenschaftliche Karriere eingeschlagen hat, verdankt sie auch ihrer Leidenschaft fürs Reisen: "Ich wollte unbedingt ein Auslandssemester einlegen und nach Schottland – eine Bedingung für einen Austausch mit der University of Glasgow war die Mitarbeit an einer Forschungsarbeit." Diese Erfahrung war die Initialzündung.
Und was kann Anne Böckler jungen Menschen mitgeben, die über ein Psychologiestudium nachdenken? "Man braucht Interesse an Menschen und Offenheit. Manchmal gibt es die Vorstellung, man könne durch das Psychologie-Studium erfahren und vollständig verstehen, wie Menschen funktionieren. Die wichtigste Einsicht ist aber: Das menschliche Verhalten ist lange nicht so rational, wie vermutet", sagt Böckler und ergänzt: "Wir sind keine Maschinen, handeln meist nicht sonderlich rational. Und unsere Wahrnehmung von uns selbst und anderen ist vielen Verzerrungen ausgesetzt. Das Psychologiestudium ist letztendlich also nur der Beginn einer Reise zum nie ganz zu erreichenden Verständnis des menschlichen Erlebens und Verhaltens."
Kontakt
Anne Böckler, Juniorprofessur für Psychologie am Lehrstuhl für Psychologie III
T.: 0931 31-80506, E-Mail: anne.boeckler@uni-wuerzburg.de