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Prof. Dr. Roland Altenburger - Lehrstuhl für Kulturgeschichte Ostasiens

30.04.2013

Roland Altenburger ist neuer Inhaber des Lehrstuhls für Kulturgeschichte Ostasiens. Sein Hauptinteresse gilt der Kultur- und Sozialgeschichte der späten Kaiserzeit Chinas, also einem Zeitraum, der sich von 960 bis 1911 erstreckt. Literarische Quellen haben dabei für ihn ein besonderes Flair.

Er ist ein „aus der Literaturwissenschaft kommender Kulturhistoriker“, sagt Roland Altenburger von sich selbst. (Foto privat)

Sie waren Krieger, die durch China zogen und für Gerechtigkeit kämpften: die Xia. Im Mittelpunkt der Geschichten, die von ihnen erzählen, steht in der Regel ein junger Mann, der als Kind häufig im Elend aufwuchs und seine Familie oder seine Heimat verloren hatte. Nun zieht er los als Kämpfer für Ordnung und Gerechtigkeit, besteht jede Menge Abenteuer und Prüfungen und gewinnt so eine „ritterliche“ Weltanschauung. Weshalb heute Xia zumeist als „fahrender Ritter“ übersetzt wird.

Bisweilen stehen aber auch Frauen im Mittelpunkt dieser Geschichten, die beim chinesischen Volk überaus populär waren. Mit ihnen und mit ihrer Rolle hat sich Professor Roland Altenburger intensiv beschäftigt. Altenburger ist seit wenigen Monaten Inhaber des Lehrstuhls für Kulturgeschichte Ostasiens an der Universität Würzburg. Sein „besonderes Herzblut“, wie er sagt, gilt der traditionellen Literatur Chinas, vor allem der Erzählliteratur der späten Kaiserzeit. Zu ihr gehören auch die Xia-Sagen.

Schwertkämpferinnen mit subversivem Potenzial

Eine Frau als rächende Schwertkämpferin und als Heldin: Das klingt für westliche Ohren zumindest ungewohnt. Wie dieses Motiv in chinesischen Erzähltexten aus dem 8. bis zum 20. Jahrhundert geschlechtergeschichtlich und genderideologisch einzubetten ist, hat Altenburger in seinem Buch „The Sword or the Needle: The Female Knight-Errant in Traditional Chinese Narrative“ (Bern, 2009) dargestellt. Darin kommt er zu dem Schluss, dass die „extreme Beugung der weiblichen Geschlechterrolle“ ein hohes subversives Potential enthielt und für die patriarchale Kultur und Gesellschaft eine Herausforderung darstellte.

Geschichten von Frauen in der Rolle von Heldinnen, die den Männern im Kampf oft überlegen waren, waren also auch in China nicht der Normalfall. Sie widersprachen der herrschenden konfuzianischen Ideologie, wonach eine Frau immer einem Mann ihrer Familie gehorchen müsste. Weil die Kämpferinnen sich jedoch letztlich immer auch dem konfuzianischen Projekt der Wiederherstellung gesellschaftlicher Ordnung verpflichtet fühlten und systemstützende Funktionen erfüllten, seien diese Erzählungen in engen Grenzen akzeptabel gewesen, sagt Altenburger.

Literarische Quellen mit hoher Aussagekraft

Wie im Fall der chinesischen Schwertkämpferin betrachtet Roland Altenburger literarische Texte nie nur unter ästhetischen Gesichtspunkten. Stets betont er auch ihre kultur- und sozialgeschichtlichen Kontexte. Der Schwerpunkt seiner gegenwärtigen Forschung liegt auf der Kultur- und Sozialgeschichte der späten Kaiserzeit Chinas, von der Song- bis zur Qing-Dynastie, was den Jahren 960 bis 1911 entspricht. Dabei konzentriert er sich besonders auf den Zeitraum vom 15. bis zum 18. Jahrhundert.

„Als ein aus der Literaturwissenschaft kommender Kulturhistoriker habe ich ein besonderes Flair für das enorme Potential von literarischen Quellen für sozial- und kulturhistorische Fragestellungen“, sagt Altenburger. Bereits seine Dissertation aus dem Jahr 1997 ist eine soziolinguistische Studie des Anredesystems und der Praxis der Anrede im mittleren 18. Jahrhundert – basierend auf einem Romantext. Die in der reichen Erzähl- und Dramenliteratur Chinas enthaltenen sozial- und kulturgeschichtlichen Informationen und Repräsentationen sind seiner Meinung nach „geradezu unverzichtbar“ für die vertiefte Erkundung der Kulturgeschichte des spätkaiserzeitlichen Chinas.

Aber ist das denn zulässig: fiktionale Erzähltexte als historische Dokumente zu verwenden? „Die Voraussetzung ist, dass wir dabei methodisch reflektiert und kontrolliert vorgehen“, sagt der Sinologe. Er jedenfalls ist davon überzeugt: „Weil erzählliterarische Darstellungen oft szenisch und episodisch sind, bilden sie oft auch situationelle Kontexte nach, die uns die interpretierende Bewertung der Daten besser ermöglicht, als dies bei nicht-literarischen historischen Dokumenten oft der Fall ist.“

Die Bedeutung des Schulmeisters

In seinem derzeit laufenden bildungsgeschichtlichen Projekt untersucht Altenburger die Rolle des Schulmeisters anhand von Texten, die dem Autor Pu Songling (1640-1715) zugeschrieben werden. Dabei geht er in drei Schritten vor: Am Anfang steht die fachgerechte philologische Erschließung, Edition und Übersetzung der Texte. Diese bilden die Grundlage für die Rekonstruktion von Elementen einer Sozial- und Kulturgeschichte des Schullehrers um 1700. Zum Schluss folgt die Überprüfung durch den Vergleich mit einem erweiterten Quellenbestand sowie anhand der bestehenden Forschung.

„Das Ziel ist die vertiefte Erforschung der Zusammenhänge zwischen dem Selbstverständnis, der Stellung und der materiellen Situation der Schulmeister einerseits und der markanten Zunahme von Lese- und Schreibfähigkeiten im gewöhnlichen Volk im Zeitraum von 1500 bis 1700 andererseits“, sagt Altenburger. Insbesondere gehe es um die Überprüfung der These, dass die Bedingungen für Schullehrer sich in dieser Zeit drastisch verschlechtert hätten.

Das Projekt zu den Schullehrern ist wiederum Teil eines größeren Forschungsprojekts zur sozial bedeutenden Zwischenschicht der nicht-beamteten, in den Beamtenprüfungen gescheiterten Gelehrten, die in der spätkaiserzeitlichen Gesellschaft zwischen der Gelehrtenbeamten-Elite und dem gewöhnlichen Volk standen und in beide Richtungen vermittelten. „Das Metier des Schullehrers war die weitaus wichtigste professionelle Tätigkeit, die Angehörigen dieser Gruppe offen stand“, sagt Altenburger. Ein vertieftes kulturgeschichtliches Verständnis dieser Gruppe verspricht seinen Worten nach wichtige neue Einsichten in das Funktionieren der spätkaiserzeitlichen chinesischen Gesellschaft.

Zur Person

Roland Altenburger hat von 1984 bis 1991 Sinologie, Neuere deutsche Literatur und Deutsche Sprachwissenschaft an der Universität Zürich studiert und dabei ein Auslandstudienjahr an der Universität Nanjing (VR China) verbracht. 1997 promovierte er an der Philosophischen Fakultät I der Universität Zürich mit einer Arbeit über das „Anredeverhalten in China um 1750. Soziolinguistische Untersuchungen am Roman Rulin waishi“. 2001 habilitierte er sich im Fach Sinologie an der Universität Zürich; Thema der Habilitationsschrift: „The Sword or the Needle. The Female Knight-Errant (Xia) in Traditional Chinese Fiction”. 2010 wurde er zum Titularprofessor an der Universität Zürich ernannt.

Längere Forschungsaufenthalte im Ausland führten ihn an die Harvard University, die National Central Library, Taipei und an die Peking University.

Kontakt

Prof. Dr. Roland Altenburger, T: (0931) 31-81308, roland.altenburger@uni-wuerzburg.de

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