Schlaglichter auf einen Krieg
01.07.2014Wie hat der Erste Weltkrieg in der Literatur, der Kunst und den Medien Englands Widerhall gefunden? Dieser Frage sind Anglistikstudierende der Uni Würzburg in einem Seminar nachgegangen. Ihre Ergebnisse präsentieren sie noch bis zum 10. Juli in einer Ausstellung am Hubland.
Den meisten Lesern ist Rudyard Kipling vermutlich als Autor des „Dschungelbuchs“ bekannt. Dass er auch anders konnte, zeigt ein Gedicht, dass Kipling 1914, kurz nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs schrieb. Darin heißt es:
For all we have and are
For all our children`s fate
Stand up and take the war.
The hun is at the gate
Das Gedicht ist Teil einer Ausstellung, die noch bis zum 10. Juli im Philosophiegebäude am Hubland zu sehen ist. Unter dem Titel „Representing World War I“ zeigt sie auf 18 großformatigen Tafeln, wie dieser Krieg seinen Niederschlag in Literatur, Kunst und Medien, aber auch in persönlichen Briefen im englischsprachigen Raum fand; zwei weitere Tafeln beschäftigen sich mit den Auswirkungen in Frankreich und Italien.
Für den englischen Teil verantwortlich sind Studierende der Anglistik; in einem Seminar der Professorin Isabel Karremann, Inhaberin des Lehrstuhls für Englische Literatur- und Kulturwissenschaft der Universität Würzburg, haben sie die Ausstellung erarbeitet. Dabei standen nicht die historischen Fakten im Vordergrund: „Es ging um die Frage, wie die Ereignisse und Erfahrungen des Krieges repräsentiert wurden und dadurch Eingang ins nationale Gedächtnis fanden“, sagt Karremann.
Frauen im Krieg
Beispiel Frauen: Als die Männer in den Krieg zogen, öffneten sich den Frauen im damaligen England ganz neue Wege und Möglichkeiten. Plötzlich hatten sie Arbeit, verdienten ihr eigenes Geld und standen dem Haushalt alleinverantwortlich vor. Mit den neuen Chancen gingen jedoch auch neue Risiken einher: Frauen, die beispielsweise Kinder versorgen mussten, konnten nicht einfach arbeiten gehen. Dafür fehlte plötzlich das regelmäßige Einkommen ihres Ehemannes, der das Büro mit dem Schützengraben und den Schreibtisch mit dem Maschinengewehr getauscht hatte.
Wohin das führen konnte, zeigt ein kurzer Brief, den die Studierenden bei ihrer Recherche gefunden hatten. Darin schreibt Lil ihrem Ehemann Harry, der in deutscher Kriegsgefangenschaft sitzt, dass sie ihn verlassen und mit einem anderen Mann in die USA ausreisen werde. Gleichzeitig bittet sie ihn, er möge deswegen nicht schlecht von ihr denken; schließlich ginge es ihr in erster Linie um das Wohl der Kinder. „Dieser Brief zeigt sehr deutlich, wie der Krieg die persönlichen Beziehungen der Menschen zerstörte“, sagt Isabel Karremann.
Frauen müssen sich in Kriegszeiten an der Heimatfront bewähren, sie sind Prostituierte und Opfer von Vergewaltigungen, sie kümmern sich als Krankenschwestern im Schlachtfeld um Verletzte und sie bewähren sich vereinzelt als Soldatinnen. Für all diese Rollen zeigt die Ausstellung in dem Kapitel „Women at War“ Beispiele – in Briefen, in der Literatur, in den Medien.
Von der Propaganda bis zum Grabenkrieg
In insgesamt sechs Kapitel ist die Ausstellung gegliedert, entsprechend der Anzahl an Arbeitsgruppen, in die sich die Studierenden aufgeteilt haben. Da geht es um die Rolle von Patriotismus und Propaganda und um die Lage an der Heimatfront. Die Rolle von Kolonialtruppen aus Australien, Irland und Kanada sowie der Kriegs-Nebenschauplatz des Nahen Ostens – durch die dieser Krieg eigentlich erst zu einem „Welt“krieg wurde – wird beleuchtet und der Grabenkrieg ausführlich geschildert. Ein Kapitel widmet sich dem sogenannten „Shell Shock“ – heute würde man Posttraumatische Belastungsstörung (PTSD) dazu sagen – und den Schwierigkeiten der Betroffenen und Angehörigen, diesen Zustand zu begreifen, der die Grenzen der menschlichen Leidensfähigkeit und Vorstellungskraft überschreitet.
Der Aufbau der Ausstellungstafeln folgt einem regelmäßigen Muster: „Nach einer Einführung in das jeweilige Gebiet und den historischen Rahmen steht die jeweilige Darstellung des Themas in Texten und Bildern“, erklärt Isabel Karremann. Dabei haben die Studierenden immer auch großen Wert darauf gelegt, mögliche Kontraste und Konflikte herauszuarbeiten. So steht beispielsweise Rupert Brookes Gedicht „The Soldier“ neben Wilfred Owens „Mental Cases“: Während der glühende Patriot Brooke den frühen Heldentod feiert – “If I should die, think only this of me; That there's some corner of a foreign field That is for ever England.” – wimmelt es in Owens Beschreibung von Shell Shock-Patienten von Begriffen wie Blut, Wahnsinn, Schmerz und Tod.
Weiße Federn für vermeintliche Feiglinge
Und im Kapitel „Propaganda“ appelliert auf der einen Seite ein strahlender Heiliger Georg, Englands Nationalheiliger, an heldenhaftes Soldatentum und Sieg. Auf der anderen Seite gründen Frauen den „Order of the White Feather“ und heften männlichen Zivilisten auf den Straßen eine weiße Feder ans Revers. „Das Symbol der weißen Federn hat seine Wurzeln in den Hahnenkämpfen, die in England lange Zeit sehr populär waren“, erklärt Isabel Karremann. Speziell für diese Kämpfe gezüchtete Hähne waren aggressiv und kampfbesessen – trugen aber nie weiße Federn in ihrem Schwanz. „Die weiße Feder ist deshalb ein Symbol der Feigheit. Sie jungen Männern anzuheften ist ein öffentliches Beschämungsritual“, so die Anglistin. Im Prinzip handelte es sich um die Aufforderung, sich doch bitte freiwillig für den Kriegseinsatz zu melden.
Gute Gründe für eine Ausstellung
Dass Studierende in einem Seminar eine Ausstellung konzipieren, kommt nicht alle Tage vor. Mehrere Gründe haben Isabel Karremann dazu animiert, diesen Weg einzuschlagen. „Ich wollte den Studierenden die Möglichkeit geben, ihre Leistung der Öffentlichkeit zu präsentieren und einen Einblick in unsere Arbeit zu bieten“, sagt sie. Gleichzeitig wollte sie damit „die Diskussion mit anderen Fächern anregen“.
Nicht ganz ohne Bedeutung war allerdings auch ihr erster Besuch im Philosophiegebäude – Isabel Karremann ist vor nicht ganz einem Jahr von München nach Würzburg gewechselt. Da habe sie den langen Gang gesehen, der die einzelnen Gebäudeteile miteinander verbindet und sich gedacht: „Damit muss man etwas machen“!
Bis zum 10. Juli ist die Ausstellung noch in dem Gang zwischen den Teilgebäuden 2 und 5 des Philosophischen Instituts zu sehen. Später im Jahr soll sie in der Zentralbibliothek am Hubland und in der Neuen Universität am Sanderring aufgebaut werden. Wer es dorthin nicht schafft: Auf der Homepage des Lehrstuhls wird Isabel Karremann die Ergebnisse ihres Seminars ebenfalls demnächst präsentieren.
Kontakt
Prof. Dr. Isabel Karremann, T: (0931) 31-89388, isabel.karremann@uni-wuerzburg.de
https://www.neuphil.uni-wuerzburg.de/en/anglistik/institut/engl-literatur-u-kulturwiss/www.anglistik.uni-wuerzburg.de/en/institut/engl_literatur_u_kulturwiss/