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Lehre

Wenn Menschen „anders“ hören

17.09.2013

„Wie gestalte ich einen Museumsbesuch so, dass er für Menschen zu einem abwechslungsreichen und informativen Erlebnis wird, auch wenn ihnen Hören, Verstehen und die Kommunikation schwer fallen?“ Lehramtsstudierende und Museologen der Uni Würzburg haben eine Antwort auf diese Frage gesucht.

„Das Bogenschießen im Schlosshof hat uns am besten gefallen!“ Schüler der Dr.-Karl-Kroiß-Schule haben mit Studierenden Stationen für einen spannenden Museumsbesuch erarbeitet. (Foto: Simone Doll-Gerstendörfer)

„Das Bogenschießen im Schlosshof hat uns am besten gefallen!“ So lautete das Fazit der Schüler der Dr.-Karl-Kroiß-Schule nach einem erlebnisreichen Tag in Schloss Aschach, der den Abschluss eines erfolgreichen Seminars bildete.

Unter dem Titel „Wenn Menschen ‚anders‘ hören ... Projektarbeit mit Menschen mit einer Hörschädigung an der Schnittstelle Schule-Museum“ hatten Studierende der Universität Würzburg ein Semester lang ein spezielles Vermittlungsangebot für Hörgeschädigte entwickelt. Unter Anleitung der Museumspädagogin Simone Doll-Gerstendörfer hatten sie dabei verschiedene Stationen erarbeitet, die Einblicke in das Leben des Adels und die Geschichte des Schlosses gaben.

Alle Besucher profitieren

Eng in die Arbeit eingebunden waren die Schüler der Dr.-Karl-Kroiß-Schule, einem Förderzentrum in Würzburg mit dem Förderschwerpunkt Hören des Bezirks Unterfranken und der Stiftung Hör-Sprachförderung. Denn ohne Teilhabe, ohne die Einbeziehung der Zielgruppe, lässt sich solch ein Projekt nach der Meinung von Simone Doll-Gerstendörfer nicht verwirklichen. Vor allem dann nicht, wenn es sich um Menschen mit besonderen Bedürfnissen handelt: „Wie können wir Angebote für eine bestimmte Zielgruppe ausarbeiten, wenn wir sie, ihr Wünsche und Bedürfnisse nicht kennen?“, fragt sie.

Prinzipiell gelte es, alle Besucher mit ihren Interessen und Fähigkeiten im Blick zu haben, wenn es um Bildung und Vermittlung im Museum geht, so die Museumspädagogin. Schließlich profitieren von den interaktiven Angeboten, die im Rahmen des Seminars entstanden sind, nicht nur Menschen mit einer Hörschädigung. Eine einfache, verständliche Sprache und Hörpausen helfen beispielsweise auch älteren Menschen oder solchen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. „Wenn man sich mit Menschen mit Beeinträchtigungen beschäftigt, kommt das im Sinne von Inklusion letztendlich allen Museumsbesuchern zugute“, davon sind auch die Studierenden überzeugt.

Eine komplexe Aufgabe

Dementsprechend stand am Anfang des Seminars ein erstes Kennenlern-Treffen in der Dr.-Karl-Kroiß-Schule. Dabei erfuhren die Seminarteilnehmer, dass es den typischen „Menschen mit Hörschädigung“ nicht gibt. Manche Schüler trugen ein Hörgerät, andere zwei, wiederum andere gar keine. Komplett gehörlos war keiner. Dafür litten alle unter einer mehr oder weniger stark ausgeprägten „auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen“. Manche müssen sich regelmäßig Operationen unterziehen, andere bleiben davon verschont. „

Dass das Spektrum der Beeinträchtigungen so groß sein würde, hatten viele Studierende so nicht erwartet“, erzählt Simone Doll-Gerstendörfer. Erst bei diesem Besuch in der Schule seien sie sich der Komplexität ihrer Aufgabe bewusst geworden. Aber auch die andere Seite sei überrascht gewesen – was bei einem der Schüler nach der anfänglichen Aufgeregtheit wegen des Besuchs aus der Uni zum erleichterten Fazit führte: „Das sind ja eigentlich auch ganz normale Menschen“.

Adel verpflichtet

Nächster Punkt im Seminarprogramm war der gemeinsame Besuch in Aschach. Dort lernten die Jugendlichen das Schloss und seine ehemaligen Bewohner kennen und konnten ihre Fragen stellen. Aus diesen Fragen – wie sieht das Leben im Schloss aus, was müssen angehende Grafen lernen, womit beschäftigen sie sich in ihrer Freizeit – kristallisierten sich dann Stichpunkte und Themenvorschläge für die Studierenden heraus. Mit diesem Wissen konnten sich anschließend mehrere Arbeitsgruppen an die Arbeit machen und ein Konzept für diverse Aktivstationen entwickeln und umsetzen; immer unter dem kritischen Auge der Schüler.

„Adel verpflichtet! – Jugend in Schloss Aschach“ hieß schließlich das Motto des Aktionstages, zu dem sich alle erneut in Aschach einfanden. An fünf Stationen durften die Schüler in das Leben junger Adeliger vor etwa 100 Jahren eintauchen. Alle Stationen enthielten Aufgaben mit unterschiedlichen Herausforderungen: Mal war das Hör-, mal das Leseverständnis angesprochen und immer das ausgeprägte visuelle Wahrnehmungsvermögen. Als großer Renner erwiesen sich dabei Gesellschaftsspiele von anno dazumal, die Studierende nach Vorlagen selbst gestaltet oder im Antiquariat erworben hatten.

Insgesamt hätten alle Aktivstationen großen Spaß gemacht, und sie hätten sehr viel über das Leben im Schloss gelernt, bekräftigten die Schüler. Und gaben als kritische Kooperationspartner den Studierenden noch den einen oder anderen wertvollen Tipp für künftige Projekte mit auf den Weg.

Das Seminar

Das Seminar war ein Angebot des Zentrums für Lehrerbildung und Bildungsforschung (ZfL) der Universität Würzburg. Damit sollte gezielt der Berufsfeldbezug in den Lehramtsstudiengängen gestärkt und ein Brückenschlag zwischen Theorie und Praxis erreicht werden. Finanziert wurde es aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) im „Qualitätspakt Lehre“.

Neben einer Konzeptmappe und didaktischen Materialien enthält das Vermittlungspaket, das die Studierenden den Museen Schloss Aschach überreichten, eine Broschüre mit Informationen zu Formen der Hörschädigung und speziellen Hinweisen zur Besucherbetreuung.

Kontakt

Simone Doll-Gerstendörfer, Mail: s.doll-gerstendoerfer@uni-wuerzburg.de

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