Wie Praxis in der digitalen Lehre funktioniert
15.09.2020Studierende der Universität Würzburg kennen den LehrLernGarten als Praxisplattform des Botanischen Gartens. In interdisziplinären Lehrveranstaltungen sammeln sie praktische Erfahrungen und lernen mit Schülerinnen und Schülern Hand in Hand.
Vor allem Lehramtsstudierende nutzen die Übungen des Lehr-Lern-Gartens (LLG), um Praxiserfahrung im Umgang mit Schulklassen zu sammeln. Im Sommersemester 2020 war das nicht möglich: Die Corona-Pandemie hatte auch hier den Betrieb lahmgelegt.
Wie können solche Lehrveranstaltungen, die von der Interaktion zwischen Studierenden und Schülern leben, also in digitaler Form realisiert werden? Welche Herausforderungen und welche Möglichkeiten birgt die Online-Lehre für den LLG? Welche Erkenntnisse aus dem digitalen Sommersemester 2020 können die Dozierenden für das kommende Semester ziehen?
Antworten auf diese Fragen gibt Anna Schumacher, Koordinatorin des LehrLernGartens. Sie berichtet von ihren Erfahrungen am Beispiel der Übung „Nachhaltigkeit im (Schul-)Alltag – Bildung für nachhaltige Entwicklung gestalten“.
Von der ursprünglichen Idee zum digitalen Konzept
„In dieser Übung drehte sich im Sommersemester 2020 alles um das Thema ‚Nachhaltige Ernährung‘“, erklärt Anna Schumacher. Studierende sollten dabei Nutzpflanzen aus der Region und deren Bedeutung, auch im globalen Kontext, kennenlernen, indem sie am Acker im CampusGarten unter Anleitung selbst Hand anlegten – angefangen vom Pflanzen über das Gießen und Unkraut Jäten bis zur Ernte. Gleichzeitig sollten sie sich mit den theoretischen Grundlagen der ökologischen Landwirtschaft beschäftigen, wie etwa der Bedeutung des Bodens oder den ökologischen und sozioökonomischen Folgen des Konsums – vom sogenannten Wasserfußabdruck bis zur Lebensmittelverschwendung. Mit all diesem neu erworbenen Wissen sollten sie dann am Ende des Semesters ein handlungsorientiertes Bildungsangebot für Schulklassen entwickeln.
Soweit die Theorie. „Die Vorbereitungen für 2020 waren bereits im Gange, als coronabedingt alle Präsenzveranstaltungen abgesagt wurden. Ein neuer Plan musste deshalb her“, sagt Schumacher. Theoriewissen digital vermitteln: Das geht – mit Videokonferenzen, vertonten Präsentationen und digitalen Zusatzmaterialien auf der WueCampus-Plattform der Universität Würzburg. Doch wie sollte der Praxisanteil der Übung digital realisiert werden? „Da das gemeinsame Gärtnern mit den Studierenden im CampusGarten nicht mehr möglich war, haben wir die Beete für die Lehre mit Unterstützung des Botanischen Gartens direkt im Bauerngarten vor Ort angelegt“, schildert Schumacher. So konnten die Dozentinnen den Studierenden die Entwicklung der Pflanzen zumindest mit Fotos und Filmen vor Augen führen.
Wo bleibt die Praxis in der digitalen Lehre?
Nicht geklärt war damit allerdings die Frage, wie die Studierenden Praxiserfahrung sammeln sollten, wenn weder sie noch die Schülerinnen und Schüler vor Ort präsent sein konnten. Die Antwort: „Die Lösung fanden wir in digitalen Formaten, insbesondere in der Erstellung von Lernvideos und Smartphone-Rallyes“, erklärt Schumacher. Zwei Teams widmeten sich außerdem der Erstellung von Unterrichtskonzepten mit klassischen Methoden rund ums Thema „Herausforderungen der Globalisierung und die globale Tragweite unseres täglichen Handelns“. Im Ergebnis haben die Studierenden ein breites Spektrum digitaler und analoger Methoden entwickelt und deren Einsatz im Schulalltag diskutiert. Was nicht möglich war: Diese Konzepte mit Schulklassen zu „testen“. Stattdessen wurden diese im Rahmen der Übung vorgestellt und gemeinsam besprochen – zuerst in Form einer „Generalprobe“ nur mit den jeweiligen Teams, danach im Plenum. Außerdem wurde Feedback von erfahrenen Lehrkräften eingeholt. Immerhin: Die Smartphone-Rallye kam am Ende des Schuljahres sogar in mehreren 10. Klassen eines Gymnasiums zum Einsatz.
Und dass sich am Ende des Semesters doch noch alle Beteiligten persönlich vor Ort begegnen konnten – selbstverständlich unter Erfüllung der erforderlichen Hygienemaßnahmen – sei „besonders schön“ gewesen, so Anna Schumacher.
Was können wir für kommende Semester nutzen?
„Online-Veranstaltungen können den Präsenzunterricht im LLG nicht vollständig ersetzen, es fehlen die unmittelbare Naturbegegnung im Botanischen Garten und der direkte Kontakt zu Schülerinnen und Schülern am außerschulischen Lernort“, sagt nicht nur Anna Schumacher. Dieser Meinung sind auch die Studierenden, wie ihre Rückmeldungen zeigen. Dennoch könne die Online-Lehre dabei helfen, die digitale Kompetenz der Studierenden und Lehrenden zu schulen und das Methodenrepertoire zu erweitern. „Der versierte Umgang mit Videos und weiteren digitalen Formaten ist auch für den Unterricht in Präsenz eine große Bereicherung und kann für mehr Abwechslung im Schul- oder Unialltag sorgen“ so die Koordinatorin des LLG. Zudem könne die Auseinandersetzung der Studierenden mit digitalen Unterrichtsformaten als Vorbereitung für ihren späteren Berufsalltag – auch im Falle einer erneuten Homeschooling-Situation – angesehen werden.
Aus diesem Grund wollen die Organisatorinnen die Veranstaltung im kommenden Semester wieder anbieten. Angedacht sei die Übung als „Hybridveranstaltung mit digitalen Sitzungen“ und – sofern möglich – auch mit einzelnen Präsenzterminen. Los geht es im November. Anmeldungen zu den Veranstaltungen des LLG sind über WueStudy möglich.
Die digitale Lehre im LLG wurde im Sommersemester 2020 mit der Anschaffung der notwendigen technischen Ausstattung, der Bereitstellung von Hilfskraftstunden sowie der Verlängerung der Actionbound-Lizenz vom „Qualitätspakt Lehre an der JMU“ unterstützt.
Beim eigenständigen Gärtnern im Rahmen der Übung „Nachhaltigkeit im (Schul-)Alltag“ konnten die Dozentinnen auf das Pilotprojekt „UniAcker“ im Sommersemester 2019 zurückgreifen, das durch den „Fonds für innovative Projekte in der Lehre“ an der Uni Würzburg unterstützt wird.
Kontakt
Anna Schumacher, Koordinatorin LehrLernGarten, T: +49 931 31-89030, anna.schumacher@uni-wuerzburg.de