Deutsch-japanisches Team gegen Hirnmetastasen
22.11.2022Professorin Carola Förster vom Uniklinikum Würzburg und Professor Markus Sauer reisten mit ihrem interdisziplinären Team zum Auftakt des internationalen Kooperationsprojekts „Das Gehirn vor Metastasen schützen“ nach Fukushima.
Bei jedem vierten Menschen mit einer fortgeschrittenen Krebserkrankung dringen die Tumorzellen ins Gehirn und führen zu Metastasen. Besonders häufig betroffen sind Frauen mit Brustkrebs. Die Hirnmetastasen führen nicht nur zu einer deutlichen Einschränkung der Lebenserwartung, sie gehen auch mit vielen neurologischen Ausfällen wie Störungen in der Bewegung, der Sprache oder dem Gedächtnis einher. Die Symptome treten zwar erst mehrere Monate oder Jahre nach der Erstdiagnose eines Mammakarzinoms auf, die Tumorzellen durchdringen jedoch schon im frühen Erkrankungsstadium die Blut-Hirn-Schranke. Dazu aktivieren sie die entzündlichen Signalwege in den Blutgefäßzellen, was ihr Eindringen ins empfindliche Hirngewebe erleichtert.
Bislang gab es keine Möglichkeit, die Invasion von metastasierenden Krebszellen ins Gehirn wirkungsvoll zu verhindern. Das möchte die Universitätsprofessorin Carola Förster, die am Universitätsklinikum Würzburg die Abteilung Experimentelle Anästhesiologie leitet, mit ihrem interdisziplinären und internationalen Team, das sich aus erfahrenen Kräften aus Neuroonkologie, Biochemie, Zell- und Molekularbiologie sowie technischen Assistentinnen und Assistenten zusammensetzt, ändern.
Rund 70.000 Bundesbürgerinnen erkranken jedes Jahr an Brustkrebs
Immerhin erkrankt derzeit eine von acht Frauen in Deutschland im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs. Jedes Jahr erhalten hierzulande rund 70.000 Frauen die Diagnose Mammakarzinom. In Japan steigt die Zahl der Betroffenen inzwischen ebenfalls beträchtlich. Entsprechend groß ist das Interesse auch dort, die Inzidenz von Hirnmetastasen zu reduzieren und neue Ansätze zu finden, um die Therapie von Brustkrebspatientinnen zu verbessern.
Treffen mit Konsortialpartnern in Japan
Da Carola Förster bereits über langjährige Kontakte zu ausgewiesenen Spezialistinnen und Spezialisten in Japan verfügt, hat sie von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) einen Grant (Fo 315/5-1) erhalten, um den Austausch mit Japan zu fördern und die internationale Zusammenarbeit zu etablieren. Gemeinsam mit Professor Markus Sauer vom Lehrstuhl für Biotechnologie und Biophysik der Universität Würzburg war die Biochemikerin im November 2022 für einige Tage an der Fukushima Medical University, um eine Konsortialvereinbarung zu entwickeln. „Der Besuch war großartig, sowohl wissenschaftlich als auch kulturell“, schwärmt Carola Förster. „Es wurde schnell deutlich, dass der persönliche Austausch nicht durch virtuelle Plattformen ersetzt werden kann.“
In der Japan Clinical Oncology Group (JCOG) ist die Hirnmetastasierung von Brustkrebs eines der wichtigsten Themen. Deren Biobanking könnte Carola Förster zufolge eine wertvolle Ressource für die weitere gemeinsame Forschung sein. Außerdem hält die Japan Breast Cancer Research Group (JBCRG) über die Breast International Group (BIG) der EU enge Verbindungen zur German Breast Group (GBG). Diese Zusammenarbeit könnte laut Carola Förster hilfreich sein, um groß angelegte klinische Studien zwischen Japan und Deutschland durchzuführen.
Barrierefunktion der Blut-Hirn-Schranke optimieren
Doch zunächst finden grundlegende Untersuchungen in-vitro und in-vivo, also im Labor und am lebenden Objekt, statt. „Wir haben die zugrundeliegenden molekularen Mechanismen bereits in ausführlichen Vorarbeiten entschlüsselt und herausgefunden, dass durch die Aktivierung bestimmter Östrogen-Rezeptor-Subtypen an Gefäßwandzellen die Barrierefunktion der Blut-Hirn-Schranke stabilisiert werden kann. Im neuen Forschungsprojekt, das von der DFG und der Stiftung „Forschung hilft“ gefördert wird, möchten wir nun in In-vitro- und In-vivo-Modellen untersuchen, wie wir mit einer völlig neuartigen endokrinen Kombinationstherapie die Blut-Hirn-Schranke gegen den Durchtritt von metastasierenden Brustkrebszellen abdichten können“, schildert die Biochemikerin Carola Förster.
„Die im Rahmen einer selektiven endokrinen Therapie verabreichten Nanopartikel sollen an die geeigneten Subtypen von Östrogenrezeptoren auf der Blutgefäßwand und auf den metastasierenden Brustkrebszellen andocken. Mit der zusätzlichen Gabe von entzündungshemmenden und krebshemmenden Naturstoffen kann dieser Effekt sogar noch weiter verstärkt und damit das Einwandern der Krebszellen verhindert werden.“
Anti-metastatische Therapie auf andere Krebsarten übertragen
Da sich die Blut-Hirn-Schranke als ein wichtiges Ziel bei allen Arten von Hirnmetastasen herauskristallisiert, werden die Ergebnisse der Untersuchungen möglicherweise von allgemeiner Bedeutung für die Prävention und Behandlung anderer, häufig in das Gehirn metastasierender Tumore wie Lungenkrebs oder schwarzer Hautkrebs sein. Mit der Identifizierung neuartiger Biomarker möchte das deutsch-japanische Team auch zu einer besseren Identifizierung von Risikopatientinnen und -patienten beitragen.
Zur Untersuchung der Blut-Hirn-Schranke und wie bzw. warum manche Tumorzellen gut durchkommen und andere nicht, werden neuste hochauflösende Fluoreszenzimaging-Methoden benötigt. Professor Markus Sauer ist Spezialist in dieser Methode und begleitete deshalb Professorin Carola Förster auf dieser Reise.
Expertise aus Japan
Professor Shigehira Saji ist Experte auf dem Gebiet der gynäkologischen Onkologie und Spezialist für die Entwicklung und Anwendung endokriner Therapien sowie Ko-Koordinator des Projekts. Mit ihm arbeitete Carola Förster bereits vor gut 20 Jahren gemeinsam am schwedischen Karolinska Institut an der Aufklärung der Funktion des Östrogenrezeptors beta Erβ in der Brustdrüsenentwicklung und ihrer Rolle bei der Entstehung von Brustkrebs.
Sein Fachwissen wird ergänzt durch erfahrene Neurochirurgen der Partneruniversität Nagasaki, Professor Shiro Baba und Professor Yoichi Morofuji. Morofuji ist zudem Försters translationaler Forschungspartner an der Blut-Hirn-Schranke. Da endokrine Therapien eine kardiale Dysfunktion hervorrufen können, ist in der späteren Phase des Projekts, wenn die Übertragung in die Kliniken erfolgen soll, der interventioneller Kardiologe Professor Nagai im japanischen Team. Mit ihm verbindet Förster ebenfalls eine fortlaufende wissenschaftliche Zusammenarbeit zum Thema Gehirn-Herz-Achse.