Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) und JMU entwickeln gemeinsam neue Diagnostikansätze
Der Nachweis von Krankheitserregern wie SARS-CoV-2, das Erkennen von Tumorzellen oder die Diagnose von seltenen Erkrankungen könnte in Zukunft deutlich effizienter und womöglich auch kostengünstiger werden. Würzburger Wissenschaftler:innen haben eine Diagnostik-Plattform entwickelt, die das Potential hat, den medizinischen Alltag zu revolutionieren.
Die neu entwickelte Technologie wurde bereits mehrfach ausgezeichnet. Zuletzt konnten sich Cynthia Sharma (JMU) und Chase Beisel (HIRI) zu den Gewinnern in der Kategorie Life Science des Science Breakthrough of the Year 2021 zählen. Nun fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das HIRI mit 733.000 €. So soll die Entwicklung von LEOPARD zur Marktreife unterstützt werden.
CRISPR-Cas: Das System hinter der neuen Technik
Das CRISPR-Cas9-System ist ein Immunsystem verschiedener Bakterien. Dieses System verleiht dem Immunsystem eine Art Gedächtnis: dringt fremdes Erbgut ein, wird ein kurzer Abschnitt davon im CRISPR-Bereich der DNA eingebaut. Das Ablesen des CRISPR-Abschnitts führt zur Bildung von verschiedenen Proteinen und RNA-Molekülen:
Das Immunsystem von Bakterien liefert eine Möglichkeit, Gene in Bakterien, Tieren und Pflanzen zu manipulieren.
- (prä) crispr-RNA (crRNA) enthält als „Leit-RNA“ die verschiedenen Sequenzen fremder Genome
- trans-activating crRNA (tracrRNA) aktiviert die prä-crRNA
- Cas9 ist das Protein, welches die Ziel-DNA schneidet
Die prä-crRNA ist eine lange Kette, die Sequenzen fremder Gene enthält. Durch die Bindung der tracrRNA daran wird die prä-crRNA in kleine Stücke geschnitten, welches jeweils eine fremde Gensequenz enthält.
Diese „Leit-RNA“ zeigt dem Cas9-Enzym, wo das fremde Genmaterial geschnitten und damit unschädlich gemacht werden soll. Dieses als Genschere bekannt gewordene System kann in der Gentechnik angewendet werden:
Das als Genschere bekannt gewordene CRISPR-Cas-System schneidet entsprechend einer „Leit-RNA“ bestimmte Regionen in der Ziel-DNA.
RNA-Stränge können hergestellt werden, welche als Sequenz einen Teil des Zielgens tragen. Mit Cas9 kann die DNA an dieser Stelle geschnitten werden und je nach weiterem Verfahren Gene ausschalten oder einfügen. So wird beispielsweise die Untersuchung von Genfunktionen und die Behandlung von genetischen Erkrankungen möglich gemacht.
So funktioniert die neue Diagnostik-Plattform LEOPARD
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der JMU und des Helmholtz-Instituts für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) haben Anfang 2021 herausgefunden, dass auch andere Immunsystem-unabhängige RNA-Moleküle von Cas9 gebunden werden können. Sie entwickelten eine Diagnostik-Plattform namens LEOPARD - Leveraging Engineered tracrRNAs and On-target DNAs for PArallel RNA Detection.
Die Möglichkeit, mehrere Faktoren in einem Test zu überprüfen, könnte eine Revolution in der Diagnostik von Infektionskrankheiten wie auch im Nachweis von SARS-CoV-2-Varianten bedeuten.
Sie fanden eine Möglichkeit, die tracrRNA so umzuprogrammieren, dass bestimmt werden kann, welche RNA eine „Leit-RNA“ wird, um damit die Cas9-Nuklease zu steuern.
Die neue Diagnostikplattform ermöglicht ein Multiplex-Diagnostikverfahren: Statt nur der Nachweis von einem bestimmten Erreger, ist hier der Nachweis von mehreren Faktoren möglich. In Labortests konnten die Wissenschaftler:innen RNA-Fragmente von 9 verschiedenen Viren nachweisen. Das eröffnet neue Möglichkeiten in der Diagnostik: Eine Patientenprobe könnte in einem Test auf mehrere Varianten des SARS-CoV-2, Influenza oder andere respiratorische Viren getestet werden. Auch der Nachweis von Krebsmarkern oder seltenen Erkrankungen könnte möglich sein.
Kontakt
Prof. Dr. Chase Beisel, Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI). Email: chase.beisel@helmholtz-hiri.de; https://www.helmholtz-hiri.de
Prof. Dr. Cynthia Sharma, Lehrstuhl für Molekulare Infektionsbiologie II, Institut für Molekulare Infektionsbiologie (IMIB), JMU Würzburg. E-Mail: cynthia.sharma@uni-wuerzburg.de, www.imib-wuerzburg.de
Originalartikel:
Non-canonical crRNAs derived from host transcripts enable multiplexable RNA detection by Cas9. Chunlei Jiao, Sahil Sharma†, Gaurav Dugar†, Natalia L. Peeck, Thorsten Bischler, Franziska Wimmer, Yanying Yu, Lars Barquist, Christoph Schoen, Oliver Kurzai, Cynthia M. Sharma*, Chase L. Beisel*. Science, 27.04.2021
https://www.science.org/doi/10.1126/science.abe7106
Video Falling Walls:
Video LEOPARD:
https://www.youtube.com/watch?v=giRmYzbqJKk
Pressemitteilung:
https://www.uni-wuerzburg.de/aktuelles/einblick/single/news/mit-crispr-zu-besseren-coronatests-1/