Probleme und Forderungen aufgrund der Ausbaumittelkürzungen
01.05.2023In einem überraschend hohen Umfang wurden an der Universität Würzburg im Zuge einer Neuberechnung Gelder der Ausbauplanung an den Hochschulen in Bayern gestrichen. 56 Stellen insbesondere in der Lehre sind davon betroffen. Obwohl die Neuverhandlung der Ausbauplanung turnusmäßig anstand, sehen sich die bislang erfolgreichen Institute und Fakultäten nun mit massiven Problemen in der Lehre konfrontiert. Denn um die bis dato geltenden Ziele zu erreichen, wurden viele Erstsemester für die Studiengänge gewonnen, die jetzt weiterhin ihr Studium verfolgen, sich allerdings nun mit teilweise stark reduzierten Lehrkapazitäten konfrontiert sehen. Insbesondere an den beiden größten Fakultäten, der Fakultät für Humanwissenschaften sowie der Philosophischen Fakultät, schlagen sich die fehlenden Kapazitäten bereits nieder: Die Seminare wurden teilweise deutlich größer, und sind daher völlig überbucht. Somit können einige Studierende nicht die im jeweils vorgesehenen Semester zu belegenden Seminare absolvieren.
Fehlende Kapazitäten bei der Betreuung ihrer Abschlussarbeiten kommen zusätzlich hinzu. Und das in den zwei Fakultäten, in denen die Lehramtsausbildung wesentlich stattfindet. Während sich der bayerische Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) immer wieder (zumindest vordergründig) zum Problem des radikalen Lehrkräftemangels äußert, streicht sein CSU‑Kollege Markus Blume zeitgleich die notwendigen Stellen, um solche dringend benötigten Lehrkräfte auszubilden.
All diese Problematiken sind bereits jetzt in Reaktion auf die fehlenden Kapazitäten im Zuge der gestrichenen Stellen in der Lehre spürbar, wenngleich sich die Auswirkungen in den kommenden Semestern noch verstärken dürften. Denn, so betont Clara Betsch, Sprecherrätin der Universität Würzburg und Studentin der Political and Social Studies: „Wir entschieden uns für ein Studium in Würzburg unter der Annahme falscher künftiger Bedingungen, die meinen Kommiliton:innen in den kommenden Semestern enorm auf die Füße fallen werden. Seminare können bereits jetzt nicht in ausreichendem Umfang angeboten werden und die Kapazitäten zur Betreuung der Abschlussarbeiten werden deutlich leiden.“ Von den Kürzungen betroffen sind die einzelnen Institute und ihre Studiengänge zwar unterschiedlich, es zeichnet sich aber bereits ab, dass große Studiengänge sowie junge Institute besonders stark leiden. Am Institut für Politikwissenschaft und Soziologie beispielsweise mussten drei volle Stellen eingespart werden, sodass sich ein Minus von mehr als zehn Seminaren je Semester so wie weniger Dozierende für die Betreuung von B chelor‑ und Masterarbeiten ergeben. Mehr als zehn Seminare, die für jeweils bis zu 30 Studierende konzipiert sind, werden spürbare Lücken hinterlassen.
Sebastian Göpfert, Studierendenvertreter und Student der Sonderpädagogik, befürchtet einen schweren Rückgang in der Qualität der Lehre: „Die vom Staat zur Verfügung gestellten Gelder sind bereits heute knapp und müssen angesichts der steigenden Personal‑ und Materialkosten auch immer sparsamer verteilt werden. Das hat bereits in der Vergangenheit dazu geführt, dass hier an der Fakultät für Humanwissenschaften die Anzahl von Seminaren verringert oder Lehrangebote komplett gestrichen
werden mussten. Am Institut für Sonderpädagogik sollen jetzt die Hälfte der Ausbaustellen wegfallen. Die Studierendenzahl, inklusive der durch Ausbaugelder zusätzlich aufgenommenen Studierenden, bleibt jedoch gleich. Wie man unter diesen Umständen weiterhin eine qualitativ gute Lehre gewährleisten kann, ist unklar. Sicher ist, die Streichung der Ausbaugelder wird sowohl für die Dozierenden als auch Studierenden eine große Belastung sein.“
Allgemein muss befürchtet werden, dass die Abschlüsse aufgrund der eklatanten Stellenstreichungen nicht in der ohnehin zu knapp bemessenen Regelstudienzeit (i.d.R. 6 Semester für Bachelor‑ und 4 Semester für Masterstudiengänge) erlangt werden könn en, was deutliche Probleme beim BAföG Bezug nach sich ziehen kann. Da sich die Neuberechnung der Ausbaumittel zu 60% nach der Anzahl an Studienabschlüssen innerhalb dieser Regelstudienzeit bemisst, drohen künftig sogar weitere Mittelkürzungen.
Neben den Auswirkungen auf die Lehre prangern wir deutlich die Folgen des Stellenabbaus für die mehr als 56 betroffenen Dozierenden an. Im deutschlandweiten Hochschulbetrieb sind 83 Prozent des hauptberuflichen wissenschaftlichen Personals ohnehin befristet beschäftigt. Im Wesentlichen können nur noch Professorinnen und Professoren mit festen Perspektiven rechnen. Damit trifft der Stellenabbau erneut die prekär Beschäftigten. Denn es ist davon auszugehen, dass diese 56 Stellen von sehr viel mehr Beschäftigten besetzt wurden, da es nicht nur an der Universität Würzburg üblich ist, dass beispielsweise Doktorand:innen nur in Teilzeit angestellt sind. Die sehr kurzfristige Vorlaufzeiten bei der Kommunikation der Neuverteilung der Ausbaugelder und somit Stellen führte nicht nur dazu, dass Angestellte monatelang um ihre befristete Stelle bangen mussten, sondern auch, dass sicher geglaubte Weiterbeschäftigungen in wenigen Wochen abgeräumt wurden. “Insbesondere diesen Kolleg:innen gebührt unsere Solidarität”, so Riccardo Altieri von der GEW Unterfranken. Benedikt Seger, GEW‑Vertreter der Beschäftigten in den unterfränkischen Hochschulen, weist zudem darauf hin, “dass ein Abbau von Stellen in dieser Größenordnung mittelfristig zu starker Mehrarbeit bei den übrig gebliebenen, zumeist ebenfalls prekär Beschäftigten, führen wird und somit die Qualität der Lehre sowie die Forschung zusätzlich leiden werden”.
Christiane Fuchs, politische Geschäftsführerin des Bundes demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi) bemerkt zudem mit Sorge: “Auch an der Universität Würzburg zeigt sich sehr deutlich, dass in Bayern wie auch im bundesweiten Trend die Geistes‑ und Sozialwissenschaften unter enormem Druck stehen und in der neoliberalen Hochschule immer weniger Platz finden.”
Daher fordert das Bündnis aus Studierendenvertretung der Universität Würzburg, Grünen Jugend Würzburg, GEW Unterfranken, Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi) sowie die Fachschaftsvertretung Humanwissenschaften, deren jeweiligen Initiativen, Fachschaftsvertretung der philosophischen Fakultät und der studentische Konvent der JMU die sofortige Erhöhung des Etats der Universität Würzburg um die abgebauten 56 Stellen. Diese müssen kurzfristig in den betreffenden Instituten neu bzw. wiederbesetzt werden und zur Absicherung der Qualität in der Lehre in Dauerstellen überführt werden. Darüber hinaus fordert das Bündnis die Herstellung umfassender Transparenz der Vorgänge, sowohl vom Ministerium als auch der Hochschulleitung.Das Blame‑Game, also die gegenseitige Schuldzuweisung von Ministerium, Rechnungshof und Hochschulleitung, muss aufgeklärt werden und künftig alle Beteiligten, insbesondere die Beschäftigten sowie die betroffenen Studierenden frühzeitig eingebunden werden. „Wie so häufig”, meint der studentische Senator Henry Mörtl “werden die Verantwortungen von einer Instanz zur nächsten geschoben und die Hintergründe und Entscheidungsgrundlagen derart verkompliziert, dass sie von außen nicht mehr einsehbar sind. Wenn bei der Vergabe von Geldern nicht mehr erkennbar ist, ob hier eine Regel oder Willkür herrscht, wirft das kein gutes Licht auf irgendeinen der Akteure.” Zudem müssen Qualität in Studium und Lehre sowie die notwendigen Räume für die Forschung auch im Bereich der Gelder aus der Ausbauplanung langfristig gesichert werden. Für das Bündnis ist klar, dass dies eine weitere Konsequenz einer völlig intrasparenten Sparpolitik auf Kosten von Studierenden und Beschäftigten ist. Diese trifft die Fächer der Geistes‑ und Sozialwissenschaften besonders, und gefährdet Studierbarkeit genauso wie Forschung in diesen Bereichen. Dieser Kahlschlag, der sich bereits seit mehreren Jahren in Bayern anbahnt, muss ein Ende haben!
Am 17.11.2022, dem internationalen Tag der Studierenden, wird an der Fakultät für Humanwissenschaften ein Stand organisiert, um über die drastischen Kürzungen zu informieren und die Auswirkungen weiter zu diskutieren. Besonders werden hier auch weitere Erfahrungen von Studierenden gesammelt.
Wir freuen uns, dass Sie dieses wichtige hochschulpolitische Thema in Ihrer Berichterstattung berücksichtigen.