Intern
Studierendenvertretung

„Campusfest – Tag der Öffentlichkeit“ oder doch eher „Tag der Unterfinanzierung“ an der Universität Würzburg

30.06.2012

Heute veranstaltet die Universität Würzburg erneut einen Tag der Öffentlichkeit. Dieser dient der Bekanntmachung exzellenter Studiengänge sowie reibungsloser Strukturen. Riccardo Altieri aus dem Sprecher- und Sprecherinnenrat erklärt: „Aus vielen Gründen halten wir es für sinnvoll, an diesem Tag die Öffentlichkeit über die inakzeptablen Missstände der Hochschulfinanzierung aufzuklären. Nur so können wir unseren Stimmen Gehör verschaffen.“

 

Staatliche Mittel werden verweigert – ein Studium muss jede/jeder selbst bezahlen

Mit den unverantwortlichen Strukturen des Bildungsministeriums und vor allem der stark defizitären Finanzierung kann die Studierendenvertretung nichts mehr anfangen! Florian Lessing, Mitglied des Sprecher- und Sprecherinnenrats, fordert: „Herr Heubisch, Sie müssen endlich handeln!“. Seit Jahren hält die bayerische Landesregierung an den Studiengebühren fest. Knapp 70 % der Studierenden an Hochschulen, die Studiengebühren erheben, fordern deren Abschaffung, wie eine Studie der Universität Hohenheim 2010 an 5200 Probanden bewies. Niedersachsen ist im Begriff die Studiengebühren abzuschaffen. Dennoch bleibt Minister Heubisch standhaft: „Ich bin da sehr sicher. Alle guten Argumente liegen auf der Seite der sozial ausgewogenen Studienbeiträge.“, sagte er im Januar 2012.

„Wir stehen dem klar entgegen.“, sagt Florian Lessing. „Studiengebühren sind nicht das Wunderheilmittel für alle Probleme an den Hochschulen. Für Forschung können teilweise noch Drittmittel akquiriert werden, aber die Lehre ist seit Jahren unterfinanziert und dies trotz Studiengebühren. Noch mehr Drittmittel will man nun einwerben, indem man die Namen von Hörsälen an die Meistbietenden verkauft.“. Die Abschaffung der Studiengebühren muss eine gleichzeitige Refinanzierung durch staatliche Mittel mit sich führen. Die Bildungspolitiker schrecken jedoch davor zurück, für Bildung Steuern zu erheben. Die Bundesregierung schafft darüber hinaus wettbewerbsartige Strukturen, um sich aus der Verantwortung zu ziehen. Die so genannte Exzellenzinitiative verteilte von 2006 bis 2012 insgesamt 1,9 Mrd. Euro an zuletzt 39 deutsche Hochschulen. 75% dieser Gelder stammen vom Bund. „Die Bundesregierung gewährt einzelnen Hochschulen eine beträchtliche Finanzspritze und schafft damit über kurz oder lang ein Gefälle von ‚Elitehochschulen‘ und ‚Dorfuniversitäten‘. Dies fördert letzten Endes wieder nur die, denen es ohnehin schon gut geht.“, führt Lessing weiter aus. Für den Qualitätspakt Lehre wurde für die Jahre 2011-2020 eine Summe von 2,0 Milliarden Euro angesetzt. An der Universität Würzburg wurden für die nächsten 5 Jahre über 12 Millionen Euro bewilligt.

 

Studienanfänger häufen sich – Geld gibt es nur für die Elite

Laut einer Erhebung des Statistischen Bundesamtes bekamen 2011 insgesamt 5.400 Studierende ein Deutschlandstipendium. Der Staat bezahlt hier jeder und jedem Stipendiatin/en monatlich 150 Euro. Das ergibt eine Summe von 9,7 Mio. Euro pro Jahr. Riccardo Altieri bewertet: „Das Deutschlandstipendium fördert Studierende mit besonders herausragenden Leistungen. Migrationshintergrund und ehrenamtliches Engagement sind entgegen der weitläufigen Aussage aber nur zweitrangig. Die Mittel für diese Elitenförderung müssen zum Teil von der Uni Würzburg mühsam und unter hohem bürokratischen Aufwand gesammelt werden.“. Zeitgleich fehlt es der Hochschule jedoch überall an Geld. Der Bau-Etat der Universität Würzburg ist für die kommenden Jahre erschöpft. Dennoch fordert die Studierendenvertretung seit 2009, dass die Einsturzgefahr der Tiefgarage der Universität dauerhaft abgestellt wird. Seit Jahren hängt dort ein Schild mit folgender Aufschrift: „(...) Das Begehen, Befahren und Einstellen von Fahrzeugen erfolgt auf eigene Gefahr. Universität Würzburg“. An dieser Warnung gehen täglich notgedrungen zahlreiche Studierende auf dem Weg zur Bushaltestelle „Universitätszentrum“ ganz selbstverständlich vorbei. Die Gebäudetrakte darüber, also Universitätsbibliothek und Mensa, drücken mit tausenden Tonnen Gewicht ebenfalls auf die maroden Konstruktionen. Aber das ist nicht alles: zeitgleich sind diese Gebäude auch noch nach oben hin baufällig. Seit Jahren dringt Regenwasser in die Lesesäle der Universitätsbibliothek. An die Wassereimer in der Frankenstube, die eine von der Decke tropfende regengraue Suppe auffangen, haben sich nach nunmehr zwei Monaten auch schon alle gewöhnt.

 

Verantwortung abgeben – Ausreden gibt es viele, Lösungsvorschläge nur wenige

Der Staat zieht sich immer mehr aus der Verantwortung. Die Konsequenzen liegen auf der Hand. Herabstürzende Deckentrümmer an der Universität Greifswald haben 2010 nur knapp einen Dozenten verfehlt. „Die Uni ist morsch“, schrieb man danach. Nicht nur die Uni, auch das Bildungssystem ist morsch. Während es hinten und vorne an Baumitteln fehlt, werden auch die notwendigen Gelder zur guten Durchführung von Studium und Lehre verwehrt. Dafür gibt es in Bayern „Gott sei Dank“ noch die allseits beliebten Studiengebühren. Wie soll eine Uni auch sonst Geld akquirieren? Eine Möglichkeit wäre gewesen, mit den Einnahmen der Kabarettveranstaltung des Alumni-Verein (Eintritt 25 Euro) nicht das Deutschlandstipendium zu unterstützen, sondern in vernachlässigte Institutionen wie das Sprachenzentrum zu investieren. Dessen Kurse sind nämlich für alle Studierenden zugänglich, zum Teil Pflicht und ständig überfüllt.

 

„Naja, 500 Euro im Semester könnt ihr doch wohl noch bezahlen. Und wenn ihr kein BAföG bekommt, müsst ihr halt arbeiten gehen!“, heißt es in einschlägigen Stammtischgesprächen oder ähnlichen Experten-Aussagen. Studieren in Bayern bringt vor allem einen Vorteil mit sich: man lernt Leidensfähigkeit.

 

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