Mikrokosmos
Korporationen werden zum Mikrokosmos
Im 11. und 12. Jh. entwickelten sich sowohl in Bologna als auch in Paris die ersten Universitäten. Bologna zeichnete sich vor allem durch seine juristische und Paris durch seine theologische Fakultät aus. Genaue Daten und Gründungsumstände können leider nicht mehr nachvollzogen werden. Sicher ist nur, dass sich ab dem 13. Jh. die ersten strukturellen Formen einer Schwurgemeinschaft erkennen lassen. Der Zusammenschluss zu einer universitas magistrorum et scholarium (Gemeinschaft der Lehrer und Schüler) sollte Sicherheit und Selbstbestimmtheit gewährleisten. Kam es zu einem Konflikt zwischen der Universität und dem Landesherren bzw. der Stadt, konnte die Lehrer- und Studentenschaft in letzter Konsequenz ausziehen, um an einem anderen Ort wieder Fuß zu fassen. Die Wahrnehmung der Hochschule als Personenverband unterscheidet sich von der modernen Ansicht, wonach eine Universität zuerst mit Gebäude und Campus verknüpft wird.
Recht und Selbstverständnis
Die mittelalterliche Universität wurde immer wieder gezwungen, ihre Autonomie gegenüber der Kirche oder den Städten, in denen sie Fuß gefasst hatte, zu verteidigen. Gerade die akademische Gerichtsbarkeit und rechtliche Autonomie bildete sich seit Kaiser Friedrich Barbarossas Scholarenprivileg (authentica habita) von 1155 zusehends aus. Neben der Verleihung akademischer Grade war es ein essentieller Bestandteil des eigenen Selbstverständnisses. Das studium generale meinte ursprünglich die vom Papst privilegierte hohe Schule, die das Recht hatte, Grade und Titel zu verleihen. Dafür war es nicht notwendig, dass alle vier Fakultäten vertreten waren.
Studium und Fakultäten
Mit ca. 15 Jahren zogen die Heranwachsenden zum Studieren aus und traten einer der kleineren Verbindungen innerhalb der universitas bei, zu denen sich die einzelnen Nationalitäten zusammenschlossen. In Deutschland waren dies die sogenannten Landsmannschaften und Bursen. Der Abschluss des Grundstudiums in der artistischen Fakultät bildete die Voraussetzung, um eine der höheren Fakultäten – Theologie, Jura, Medizin – besuchen zu können. Im Grundstudium, das mit dem Bakkalaureat abschloss, wurden die Sieben Freien Künste gelehrt: das Trivium, bestehend aus Grammatik, Rhetorik und Dialektik, sowie das Quadrivium, bestehend aus Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie. Danach konnte man das Lizentiat licentia ubique docendi anstreben. Es erlaubte, überall zu lehren.
Erlangte man einen Abschluss (Magisterium, Doktorat) an einer der höheren Fakultäten, hatte man die generelle Lehrerlaubnis und auch die Pflicht, zwei Jahre Vorlesungen zu halten. Der Studienalltag bestand aus lectio, disputatio und repititio und im Unterschied zum modernen Studium waren Studienzeit und Abschlüsse nicht vorgeschrieben. Die Erlangung eines Abschlusses zog keine festgelegte Laufbahn nach sich.
Entwicklung der Universitäten in Europa
Die Konkurrenz der Universitäten zeigte sich nicht zuletzt in den Legenden, die das eigene Gründungsdatum nicht nur so früh wie möglich ansetzten, sondern auch auf entsprechendes Prestige achteten. Die zweite Gründungswelle im 14. Jh. ereignete sich vor allem im deutschen Sprachraum. Als älteste Hochschule gilt hierbei die 1348 von Kaiser Karl IV. gegründete Universität in Prag, dicht gefolgt von Wien (1365), Heidelberg (1385), Köln (1388), Erfurt (1392), Würzburg (1402) und Leipzig (1409). Bis zum 15. Jh. waren die Hochschulen stark von der Kirche abhängig, doch die ursprünglich feste Bindung zwischen Kirche und Universität lockerte sich, so dass im 16. und 17. Jahrhundert auch lutherische Universitäten wie Wittenberg (1502), Marburg (1527) und Königsberg (1544) gegründet wurden.
Seit dem Mittelalter hat sich die Universität in Europa zunehmend ausgebreitet und entwickelte sich zu einer etablierten autonomen Institution mit allgemein anerkannten Abschlüssen. Im Jahr 1500 gab es genau 66 Universitäten in Europa, 16 davon befanden sich im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation. Von 20 privilegierten Gründungen zwischen 1290 und 1354 waren allerdings nur vier von Dauer. Die größten mittelalterlichen Universitäten im deutschen Reich (Wien oder Köln) zählten ca. 500 – 1000 Studenten. Dem Anstieg der Studentenzahlen seit dem 18. Jh. und vor allem seit den ´60er und ´70er Jahren des 20. Jahrhunderts folgte die Entstehung der Massenuniversität, die mehrere Tausend Studenten beherbergt.
Organisation und Leitung der Universität
Ursprünglich stellte ein Vertreter des Bischofs den Leiter der hohen Schule. Doch während des 13. Jahrhunderts gingen die Befugnisse der akademischen Gerichtsbarkeit auf den Rektor und die Leiter der Fakultäten über. Der geistliche Einfluss verlor hierbei an Bedeutung. Die Bestätigungen des Bischofs wurden zunehmend zu einem formellen Akt.
Der Rektor
Das Oberhaupt der Universität (caput universitatis) wurde in Bologna aus der Studentenschaft gewählt, zumeist kam er jedoch aus den Reihen der ordentlichen Professoren. Die wichtigste Voraussetzung für das Amt des Rektors war der Status als Kleriker, um auch die geistliche Gerichtsbarkeit ausüben zu können. Zu den Aufgaben des Rektors gehörten der Vorsitz im Universitätsgericht und die Verwaltungsleitung. Hinzu kamen die Vertretung der Universität in der Öffentlichkeit und das Führen des Universitätssiegels. Auch musste auf die Einhaltung von Privilegien und Statuten geachtet werden. Die Wahl des Rektors erfolgte meistens jährlich, wobei entweder ein Professor der vier Fakultäten oder ein Adeliger von sämtlichen Professoren der Universität gewählt wurde. Adelige Würdenträger überließen die täglichen Amtsgeschäfte dann einem Prorektor, der ebenfalls aus dem Kreis der Lehrenden stammte. Als finanzielle Entlohnung erhielt der Rektor die Hälfte aller Bußgelder und konnte ein zusätzliches Gehalt aus dem Vermögen der Universität erhalten. Zur Ergänzung der Verwaltung unterstanden dem Rektor Notare, die den Schriftverkehr regelten und Pedelle, die primär für die Aufrechterhaltung der Ordnung verantwortlich waren.
In der ersten Würzburger Universität von 1402 wurde der Rektor halbjährlich gewählt und kam überwiegend aus den Reihen des Domkapitels. Die Wahl fand am 30. September zu Beginn des Semesters statt, am 12. März (Gregorii) erfolgte dann die Bestätigung oder eine Neuwahl. Bis zum Ende des Alten Reiches 1806 kamen die Rektoren der Würzburger Universität fast ausnahmslos aus adeligen Kreisen, dem Domkapitel oder den wichtigsten Stiften der Stadt, obwohl die Professoren theoretisch selbst zur Wahl standen.
Während der Kuratelzeit (1804-1828), als der Bayerische König Rektor der Universitäten war, gab es folglich nur Prorektoren an den bayerischen Hochschulen. Die Würzburger Universität stellte hierin aber eine bemerkenswerte Ausnahme dar, denn schon bald leitete wieder ein Rektor die Hochschule. Anscheinend unternahm das Bayerische Staatsministerium keine Gegenmaßnahmen, sondern ließ die Würzburger darin gewähren. Seit der Hochschulreform 1975 fungiert nun der Präsident statt des Rektors als Leiter der Universität.
Der Kanzler
Die Zuständigkeiten des Kanzlers heute und damals unterscheiden sich grundsätzlich. Heute ist der Kanzler Leiter der Verwaltung und für die Finanzen zuständig. Doch ursprünglich war er, als Vertreter des Bischofs, eine kirchliche Aufsichtsinstanz und hatte deshalb allein das Recht an Stelle des Bischofs Lizentiate zu erteilen. Auch prüfte er Studenten und verlieh die akademische Grade stellvertretend für den Bischof. Der Einfluss der Kirche auf das Vorrecht der Universität, akademische Grade selbst zu vergeben, ging zurück. Der Kanzler verlieh nunmehr formell die Titel, die Entscheidung oblag nun dem Rektor und den Dekanen. Die Funktion des Kanzlers konnte auch an einen Vizekanzler aus dem Lehrerkreis weitergegeben werden. An protestantischen Hochschulen übernahm dann der Landesherr selbst oder sein Stellvertreter das Kanzleramt. An der Würzburger Universität war bis 1803 stets der Propst des Domkapitels Inhaber des Kanzleramts.