English Intern
Universitätsarchiv

Rektoren in der Nachkriegszeit

Gewohnheitsrecht und korporative Selbstverwaltung

Teil 6 von 7

Da nicht alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens runderneuert werden konnten, griff man vielerorts auf bekannte Strukturen zurück. In Würzburg hingegen verzichtete man über 20 Jahre auf eine neue Verfassung und agierte nach Gewohnheitsrecht.

Gesetzliche Kontinuitäten bestehen über das Dritte Reich hinaus

Nach dem Ende des „Dritten Reiches“ stellte sich die Frage nach einer Verfassung der Universität. Teile der nationalsozialistischen Gesetze waren durch die Militärregierung aufgehoben worden, ohne dass diese immer durch neue Regelungen ersetzt wurden, zudem galt der größte Teil der Gesetze aus den Jahren 1933-1945 unverändert fort. Für die Universität stand der Wiederaufbau aus den Ruinen an erster Stelle, doch spätestens zur ersten Rektorwahl stellte sich die Frage nach dem anzuwendenden Verfahren, da die eigenmächtige Einsetzung durch das Reichsministerium keine Option mehr war. Zu erwarten wäre eine bewusste Rückkehr zur Verfassung der Universität vor 1933 gewesen, nicht zuletzt, da trotz des einschneidenden Umbruchs der nationalsozialistischen Diktatur diese Phase nicht einmal 12 Jahre gedauert hatte und viele der Professoren das Verfahren vor 1933 aus eigener Erfahrung kannten. Dies geschah jedoch nicht.

Das Ringen um eine neue Verfassung scheitert

In Bayern kam es zu Vorschlägen des Ministeriums für eine neue Verfassung der bayerischen Hochschulen, die aber für Würzburg ebenso ergebnislos blieben wie der Versuch, die Genehmigung für einen eigenen Verfassungsentwurf zu erhalten. Auch Versuche der amerikanischen Militärregierung, eine Hochschulverfassung zu schaffen, scheiterten. Zur Rektorwahl  1949 griff man daher in Ermangelung einer besseren Lösung auf die Bestimmungen des erst Ende 1946 vom Ministerium erstellten Verfassungsentwurfs zurück. Lücken in diesem Entwurf, wie etwa die nach der erforderlichen Mehrheit bei der Wahl, konnten durch Senatsbeschluss geregelt werden.

Die Universität agiert in einem Vakuum aus Rechtsunklarheit und Gewohnheitsrecht

Der Versuch, eine neue Satzung für die Julius-Maximilians-Universität zu erstellen, war aufgegeben worden. Die Universität nutzte die Rechtsunklarheit und konnte so die Freiheit verteidigen, ohne Verfassung bzw. Satzung nach (eigenem) Gewohnheitsrecht ganz im Sinne der korporativen Selbstverwaltung zu entscheiden. Erst nach über 20 Jahren sah sich die Universität Würzburg als letzte der 31 westdeutschen Hochschulen gezwungen, das Gewohnheitsrecht zugunsten einer Satzung aufzugeben.