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Universitätsarchiv

Campus Hubland

Eine neue Uni am Stadtrand

Am 11. Mai 1965 hat die Universität Würzburg Grund zum Feiern. Am Hubland-Campus lädt sie zur Grundsteinlegung ein. Doch der Umzug an den Stadtrand war lange Zeit umstritten.

11. Mai 1965: Die Julius-Maximilians-Universität feiert ihr 383. Stiftungsfest. Rektor Wilhelm Arnold spricht über „Person und Schuldfähigkeit“. Im Anschluss an seine „hochinteressanten Ausführungen“ – wie die Main-Post am nächsten Tag schreiben wird – verleiht die Universität Würzburgs Oberbürgermeister Dr. Helmuth Zimmerer die Medaille „Bene merenti“ in Gold. Business as usual sozusagen in der Schönborn-Halle des Mainfränkischen Museums.

Etwas an diesem Tag ist dennoch anders: Im Anschluss an den Festakt versammelt sich die Gesellschaft diesmal nicht zum gemütlichen Beisammensein. Stattdessen brechen Honoratioren und Gäste auf und begeben sich an den östlichen Stadtrand Würzburgs. Dort, im Äußeren Hubland, steht ein weiterer Programmpunkt auf der Tagesordnung: die feierliche Grundsteinlegung für das Erweiterungsgelände der Universität – speziell für den Neubau des Instituts für Organische Chemie.

Ein Freudentag für das ganze bayerische Volk

„Dieses Institut ist das erste Bauvorhaben des geplanten Chemie-Zentrums, dem sich im Verlauf mehrerer Jahre weitere vier wissenschaftliche Zentren anschließen sollen“, schreibt die Main-Post am nächsten Tag und zitiert Staatssekretär Erwin Lauerbach. Der spricht bei dem Festakt von einem „Freudentag für die Staatsregierung und das ganze bayerische Volk“; trotz schwerster Zerstörungen am 16. März 1945 habe die Universität längst wieder Anschluss gefunden und stehe heute in der vordersten Front der deutschen Hochschulen.

Würzburger Tageszeitungen vom 11. Mai, dazu eine Sonderbeilage der Main-Post „20 Jahre danach“ vom 8. Mai 1965 sowie aktuell im Umlauf befindliche Münzen kommen in eine Kupferrolle, die von Handwerkern in dem rund 2,5 Tonnen schweren Grundstein eingemauert wird. Anschließend setzt ein Kran den Stein auf das vorgefertigte Fundament; der Startschuss für die Erweiterung der Uni auf den Hubland-Campus ist erfolgt. Dem Schritt an den Stadtrand vorangegangen war eine lange und teilweise erbittert geführte Diskussion.

Raumnot an der Uni in der Stadt

Zu Beginn der 1960er-Jahre ist die Raumnot das bestimmende Thema an der Universität. Waren im Sommersemester 1957 gerade einmal 2.935 Studenten eingeschrieben, sind es drei Jahre später fast 4.800 und im Sommer des Jahres 1965 übersteigt die Zahl die Marke von 7.000. Für die kommenden Jahre wird ein Anstieg auf etwa 10.000 erwartet. Zu viel für die Gebäude im Stadtinneren, die sich im Wesentlichen zusammensetzen aus der Alten Universität in der Domerschulstraße, der Neuen Universität am Sanderring – damals noch ohne den vierten Flügel auf der Rückseite – und den Gebäuden am Röntgenring.

Kein Wunder, dass bereits 1961 der frisch gewählte Rektor, Professor Joseph Ziegler, erklärt: „Unsere Universität ist längst zu klein geworden. Der akute Raummangel bereitet uns deshalb für die nächste Zukunft die größten Sorgen.“ Nicht nur Studierenden würde der Platzmangel Schwierigkeiten bereiten; Zieglers Worten nach wusste die Universität zu dem Zeitpunkt auch nicht, wie sie 17 neu berufene Professoren samt Personal adäquat unterbringen sollte. In einem Interview mit der Main-Post sprach sich Ziegler deshalb für eine „völlig neue Universität am Stadtrand“ aus, die ausreichend Kapazität für die nächsten Jahrzehnte gewährleiste. Selbst Wohnraum für Studierende und Professoren wollte der Rektor – ein Amt, vergleichbar dem heutigen Universitätspräsidenten – auf dem Campusgelände schaffen. Allein die Universitätsbibliothek, damals noch in der Alten Universität untergebracht, solle, „um den alten Leuten und den emeritierten Professoren Rechnung zu tragen“, in der Stadt verbleiben – allerdings an einem anderen Standort. Als „idealen Platz“ bezeichnete Ziegler dafür die Orangerie im Hofgarten.

Schwierige Suche nach geeigneten Grundstücken

Auch in den Gremien der Universität steht die Suche nach einer Lösung für das Raumproblem regelmäßig auf der Tagesordnung. So berichtet am 22. Februar 1961 der Verwaltungsausschuss-Direktor, Professor Walter Sax, auf der Sitzung des engeren Senats über seine Gespräche mit Vertretern der Stadt über den städtischen Bauleitplan. In diesen Gesprächen hatte die Universität eine Reihe von Grundstücken für ihre Zwecke reklamiert – unter anderem ein beträchtliches Areal an der Oberdürrbacher Straße, Platz im Hofgarten zwischen Orangerie und Gerichtsgefängnis und rund 50 Hektar am Ostrand der Stadt.

Die Erweiterung an den Stadtrand fand unter den Mitgliedern des Senats zunächst wenig Unterstützer. Auf der Sitzung am 8. November 1961 beschließen seine Mitglieder, dass nichts unversucht bleiben soll, für die Erweiterung der Universität geeigneten Grund und Boden im inneren Stadtgebiet zu erhalten – „um die Tradition der auch in geistiger Beziehung bedeutsamen zentralen Lage der Universität in der Stadt nicht aufzuheben“, wie es im Protokoll heißt.

Deutliches Votum für die Erweiterung am Stadtrand

Doch schon am 24. Januar 1962 sollte sich die Stimmung drehen. Rektor Joseph Ziegler drängt auf eine schnelle Entscheidung, weil schon zwei Tage später eine Besprechung im Finanzministerium über die Erweiterung der Uni ansteht. Ohne diese Entscheidung werde es seiner Meinung nach kaum möglich sein, das Finanzministerium zum Grunderwerb zu bewegen. Für die Vertreter der Medizinischen und der Naturwissenschaftlichen Fakultät ist die Sache klar: Unter keinen Umständen dürfe die Universität sich das Gelände im Hubland entgehen lassen. Und es dürfe auch nicht nur so groß sein, dass lediglich die Naturwissenschaftliche Fakultät dort untergebracht werden könne, sondern so groß wie möglich, lautet ihr Votum. Dem schließt sich der Dekan der Philosophischen Fakultät an: „Da der Raumbedarf seiner Fakultät nicht nur außerordentlich dringlich, sondern auch nicht gering sei, habe sie sich für das Hubland-Projekt entschieden“, gibt er zu Protokoll.

Bedenken äußert allein der Dekan der Rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät: Es müsse ernstlich darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Zustimmung zum Erwerb des Geländes im Hubland keine Bindung hinsichtlich einer künftigen Verlegung der gesamten Universität enthalte, lautet seine Forderung.

Das anschließende Abstimmungsergebnis fällt einstimmig aus. Demnach soll die Universitätsleitung bei den Verhandlungen mit Kultus- und Finanzministerium darauf hinwirken, dass „sofort Gelände im weitesten Umfang für Zwecke der Universität erworben wird, damit eine großzügige langfristige Planung durchgeführt werden kann“. Gleichzeitig solle sie dafür sorgen, dass „hierdurch aber unter keinen Umständen die Behebung der dringendsten Raumnot durch entsprechende Baumaßnahmen im Stadtkern in irgendeiner Weise behindert wird“.

Angst vor der Satellitenstadt

Beendet ist die Diskussion um den zukünftigen Kurs der Universität damit allerdings noch nicht. Angefacht wird sie im Juni 1962 durch einen ganzseitigen Artikel in der Main-Post. Die schreibt am 22. Juni unter der Überschrift „Alma Julia – quo vadis?“ von der Absicht der Würzburger Universität, „einen beträchtlichen Teil ihrer Institute an den Stadtrand, ja außerhalb der Stadtgrenzen zu verlegen“. Dabei lässt der Autor, der mit dem Pseudonym „Kolonat“ zeichnet, seine Meinung deutlich zu erkennen. Die „räumliche Scheidung“ käme einem bedenklichen Substanzverlust gleich, moniert er in der Main-Post; der Auszug wäre eine „effektive Trennung“. Mit der Erweiterung auf das Hublandgelände entstehe „da oben am und hinter dem Stadtrand eine akademische Satellitenstadt mit eigenen Wohnbezirken für Studenten, eigenen Einkaufs- und Versammlungszentren, einem eigenen Villenviertel für Dozenten“ – kurz: „eine Satellitenstadt, die nur durch Buslinien mit dem eigentlich Würzburg verbunden wäre.“

Plädoyer für den Verbleib in der Stadt

Auf seiner nächsten Sitzung nach Erscheinen des Artikels in der Main-Post suchen die Mitglieder des engeren Senats kurz aber ergebnislos nach der „undichten Stelle“, die den Main-Post-Redakteur mit den heiklen Informationen versorgt haben könnte. Danach nutzt Rector electus Professor Erich Carell die Gelegenheit zum Plädoyer für den Verbleib der Uni in der Stadt. Man mache sich die Dinge zu leicht, wenn man sage, in der Nähe der Universität gebe es keine für eine Erweiterung geeigneten Grundstücke zu kaufen. Man müsse nur genügend Geld bieten, dann würde man schon etwas erhalten, so der Ordinarius für Volkswirtschaft. In der Folge entwickelt sich „eine lebhafte Diskussion über das, was sonst noch möglich gewesen wäre, hätte geschehen können oder getan werden sollte“, wie das Protokoll spitz vermerkt.

Dennoch bleibt es auch auf dieser Sitzung dabei: Der Senat tritt dafür ein, dass alle Voraussetzungen geschaffen werden, um der Naturwissenschaftlichen und der Philosophischen Fakultät auf dem neu zu erwerbenden Gelände am Stadtrand die Behebung ihrer Raumnot entsprechend ihrem Bedarf zu ermöglichen.

Kabinett stimmt den Erweiterungsplänen zu

Ein Jahr später war es dann endlich soweit: Am 10. Juli 1963 teilt der Rektor der Uni den Mitgliedern des engeren Senats mit, dass der Kabinettsbeschluss über den Umzug von Teilen der Universität auf das Hubland-Areal gefasst wurde. In dem Beschluss heißt es, „dass die Einrichtungen der Naturwissenschaftlichen Fakultät in ihrer Gesamtheit in mehreren Phasen auf dieses Gelände zu verlegen sind.“ Zusätzlich sollen die Einrichtungen der Philosophischen Fakultät ebenfalls auf das Gelände am Stadtrand umziehen. Nur auf diese Weise könne den Fakultäten rasch und wirksam geholfen und Raum für künftige Entwicklungen geschaffen werden.

In den kommenden 18 Monaten werden Tatsachen geschaffen: Der Freistaat kauft die notwendigen Grundstücke am Hubland, die Baupläne für die Gebäude der Naturwissenschaftlichen und der Philosophischen Fakultät werden vorangetrieben. Die Vertreter der Universität Würzburg drängen jetzt zur Eile. Der Grund: Am 10. Juli 1962 hatte der Bayerische Landtag die Gründung einer Universität in Regensburg beschlossen – als damit vierte Landesuniversität. In Würzburg geht die Sorge um, dass die Neubauten an der Donau die Entwicklung am Main bremsen könnten.

Grundsteinlegung zum Stiftungsfest

Dem ist glücklicherweise nicht so. Auf einer Sitzung des engeren Senats am 27. Januar 1965 berichtet Rektor Wilhelm Arnold von einem Gespräch mit dem Staatssekretär im Finanzministerium Dr. Franz Lippert. Dieser habe ihm bestätigt, dass in München alle beteiligten Ministerien zu der Überzeugung gekommen seien, dass nicht nur die Baupläne der Naturwissenschaftlichen Fakultät unverzüglich verwirklicht werden sollten, sondern auch der Wunsch der Philosophischen Fakultät nach Errichtung eines Seminar- und eines Hörsaalgebäudes in nächster Zukunft. Die Reaktion der Senatsmitglieder beschreibt das Protokoll so:

„Der Verwaltungsdirektor erbittet das Wort und schlägt vor, beim Stiftungsfest unter Beteiligung der obersten Staatsbehörden, die bereits in Aussicht gestellt worden sei, eine feierliche Grundsteinlegung auf dem Gelände am Stadtrand zu veranstalten, um damit auch vor der Öffentlichkeit zum Ausdruck zu bringen, dass die Angelegenheit voranschreite. Der Senat ist hiermit einverstanden.“

Gunnar Bartsch

Inzwischen hat die Universität Würzburg viele Male Grundsteinlegung, Richtfest und Inbetriebnahme am Hubland Campus feiern können. Mittlerweile stehen dort unter anderem das zentrale Gebäude der Universitätsbibliothek, die Mensa, die Gebäude der Fakultät für Chemie und Pharmazie, das Biozentrum, das Institut für Physik, die Informatik, das Rechenzentrum, die Geographie, das Philosophiegebäude, ein Teil des Sportzentrums und ein zentrales Hörsaal- und Seminargebäude.

Damit nicht genug: Im Jahr 2011 hat sich die Universität auf ein direkt benachbartes Grundstück erweitert: den Hubland-Campus Nord. Auf dem 45 Hektar großen Areal waren zuvor US-amerikanische Streitkräfte untergebracht. Jetzt finden sich dort weitere Institutsgebäude, Labore und Seminarräume sowie Flächen für den Ausbau der Julius-Maximilians-Universität.

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