Schätzung des Auftragswerts
Was ist grundsätzlich bei der Schätzung des Auftragswertes zu beachten?
Das Gesetz enthält keine konkreten Kriterien für die Art und Weise, in der die Schätzung des Auftragswertes zu erfolgen hat. Vielmehr gilt nur die allgemeine Vorgabe, dass die Schätzung nicht in der Absicht erfolgen darf, den Auftrag dem Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts zu entziehen. Um dies sicherzustellen, bedarf es einer sorgfältigen und nachvollziehbaren Prognose anhand objektiver Kriterien. Maßstab für die sachangemessene Schätzung des Auftragswertes ist, wie sich ein umsichtiger und sachkundiger Auftraggeber nach sorgfältiger Prüfung des relevanten Marktsegments und auf dem Boden einer betriebswirtschaftlichen Finanzplanung verhalten würde. Die diesbezüglichen Anforderungen sind umso größer, je enger die voraussichtliche Auftragssumme sich im Grenzbereich des maßgeblichen Schwellenwertes (214.000€ netto) bewegt. Ist dieser ganz eindeutig unter- oder überschritten, sind an die Schätzung vergleichsweise niedrige Anforderungen zu stellen. Ist das hingegen zweifelhaft, steigen die entsprechenden Anforderungen. Dies gilt insbesondere, aber nicht nur dann, wenn die Vergabestelle beabsichtigt, von einer EU-weiten Ausschreibung abzusehen.
Bei dem ermittelten Wert sind neben praktischen Erfahrungen z.B. einschlägige Honorarordnungen, einschlägige Indexreihen für Baukosten u. ä. heranzuziehen. Ist der Auftrageber alleine nicht in der Lage, eine hinreichend sorgfältige Schätzung vorzunehmen, muss er sich ggf. externer Beratung bedienen. Ebenfalls besteht die Möglichkeit, Marktteilnehmer nach ihrer Einschätzung in Bezug auf den betreffenden Auftragswert oder Teile der auszuschreibenden Leistungen zu befragen und dies in die eigene Schätzung der Vergabestelle einzubeziehen. Hingegen wäre es nicht ausreichend, sich allein auf die Aussage eines einzelnen Marktteilnehmers zu verlassen. Ebenso werden die vorgenannten Kriterien an eine sachangemessene Schätzung nicht erfüllt, wenn die Kostenschätzung auf veralteten Daten (älter als 1 Jahr) beruht, wichtige Elemente der Kostenkalkulation schlicht außer Acht lässt oder wenn Kalkulationsgrundlagen Dritter pauschal und ungeprüft übernommen werden.
Die der Schätzung zu Grunde gelegten Kriterien und deren Ergebnisse sind in der Vergabeakte hinreichend zu dokumentieren und die Angaben zur Schätzung sind im Regelfall auch notwendiger Bestandteil des Vergabevermerks. Eine mangelhafte Dokumentation begründet einen Vergaberechtsverstoß, der dann, wenn sich die Schätzung im Ergebnis als fehlerhaft erweist, auch bei einer beabsichtigten Vergabe unterhalb der Schwellenwerte einer vergaberechtlichen Nachprüfung zugänglich ist, sofern der richtig geschätzte Auftragswert den maßgeblichen Schwellenwert erreicht oder überschreitet.
Zudem dient der geschätzte Auftragswert der haushaltsrechtlichen Mittel-/Budgetreservierung. Dies ist insbesondere relevant im Hinblick auf die Aufhebung eines Vergabeverfahrens mit Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit.
Der Schätzwert sollte einer genäherten Bestimmung des Auftragswertes entsprechen, die Schätzung muss jedoch nicht die aktuellen Marktpreise exakt widerspiegeln.
Schätzungsgrundlagen können z.B. sein
- zurückliegende Beschaffungen (max. 1 Jahr)
- Internetrecherche (Screenshots reichen)
- Angebote von Firmen (es sollte aber nicht der Eindruck erweckt werden, dass es sich um ein laufendes Vergabeverfahren handelt)
- externe Berater (wenn Fachwissen fehlt).
Beispiele für die Schätzung des Auftragswertes
1. Es liegen 2 Angebote vor
Angebot 1: 60.000€ inkl. MwSt.
Angebot 2: 55.000€ inkl. MwSt.
-> geschätzter Auftragswert= (60.000+55.000)/2 = 57.500€ inkl. MwSt.
2. Es liegen 3 Angebote vor
Angebot 1: 60.000€ inkl. MwSt.
Angebot 2: 57.000€ inkl. MwSt.
Angebot 3: 50.000€ inkl. MwSt.
-> geschätzter Auftragswert= mittleres Angebot = 57.000€ inkl. MwSt.
3. Es liegen 4 Angebote vor
Angebot 1: 60.000€ inkl. MwSt.
Angebot 2: 57.000€ inkl. MwSt.
Angebot 3: 50.000€ inkl. MwSt.
Angebot 4: 45.000€ inkl. MwSt.
-> geschätzter Auftragswert = (50.000+57.000)/2 = 53.500€ inkl. MwSt.
Bei mehr als 4 und einer ungeraden Anzahl an Angeboten errechnet sich der Schätzwert aus der Summe der Angebote geteilt durch die Anzahl der Angebote, während bei einer geraden Anzahl an Angeboten eine Rangfolge gebildet wird und der Median der beiden mittleren Angebote als geschätzter Auftragswert herangezogen wird.