Wilhelm Trendelenburg
Wilhelm Trendelenburg (1877-1946)
Der am 16. Juli 1877 in Rostock geborene Wilhelm Trendelenburg war eines von neun Geschwistern einer traditionsreichen Gelehrtenfamilie. Der Großvater, Friedrich Adolf Trendelenburg (1802-1872), war Philosoph und hatte ab 1833 eine Professur an der Berliner Universität inne. Wilhelms Vater Friedrich Trendelenburg (1844-1924) war der weltberühmte Chirurg und Namensgeber zahlreicher Eponyme, wie z.B. dem Trendelenburg-Test oder Trendelenburg-Operation bei Krampfaderleiden. Es liegt in der Tradition der Familie, dass auch die Kinder akademische Berufe ergreifen, wie Wilhelms Brüder Ernst, Paul und Ferdinand, die Jurist, Pharmakologe und Physiker wurden, oder wie Friedrich Adolf Albrecht Trendelenburg, der als Ministerialdirektor im Preussischen Kultusministerium in höchste Höhen der Verwaltungslaufbahn aufstieg. Wilhelm Trendelenburg wandte sich - gleich seinem Vater - einem medizinischen Gebiet zu und wurde Physiologe. Die Assistentenzeit nach dem Studium verbrachte er in Freiburg bei Johannes v. Kries, der zusammen mit Hermann Ebbinghaus die Zeitschrift für Psychologie herausgab, und bei Ewald Hering in Leipzig. Nach der Habilitation 1904 folgte Wilhelm Trendelenburg Rufen an die Universitäten Insbruck (1911), Gießen (1916), Tübingen (1917) und schließlich Berlin (1927). Durch den Zweiten Weltkrieg verlor Trendelenburg bereits 1941 seinen ältesten Sohn Reinhard, Professor der Forstwissenschaft an der Universität München. Er ließ sein Leben in den Kämpfen vor Moskau. Als die Luftangriffe auf Berlin in ihrer Intensität zunahmen, wurde der Familie Trendelenburg auch das Heim mit allen wertvollen Familienerinnerungen genommen. Die Trendelenburgs kehren nach Tübingen zurück, wo Wilhelm am 16. März 1946 aus dem Leben schied. In seinem Nachruf charakterisierte ihn Schittenhelm (1949) folgendermaßen: "Trendelenburg war ein Mann von untadeligen Charaktereigenschaften, voll Begeisterung für seinen Beruf, die er auch auf seine Schüler übertrug. Die Lehrtätigkeit war ihm eine Freude und ein Bedürfnis, dem er durch ernste Vorbereitung viel Zeit widmete. Dabei kümmerte er sich auch um den Menschen in seinem Schüler. Er hatte ein warmes Herz und für jeden Zeit, der sich um Rat und Hilfe an ihn wandte; er war immer natürlich, Überheblichkeit und Hochmut lagen ihm völlig fern."
Intelligenzprüfung an niederen Affen
Obwohl Trendelenburgs Forschungsschwerpunkte auf der operierenden Physiologie des Zentralnervensystems, der physiologischen Optik und auch der Herzphysiologie lagen, führte er gegen Ende seiner Freiburger Zeit tierpsychologische Studien durch, die als unbeeinflusste Fortführung und Ergänzung der Köhlerschen Affen-Versuche gelten können:
"Bei unserer Arbeit, mit der wir einen Beitrag zu dieser Frage liefern möchten, gehen wir zunächst von keinerlei theoretischen Vorstellungen aus, sondern waren in erster Linie bemüht, genaue Beobachtungen zu liefern und das Beobachtete möglichst objektiv darzustellen. Alle Fragen der Definition der Intelligenz, der Einsicht u. a. m., Fragen, die seit der Köhlerschen Arbeit besonders lebhaft diskutiert wurden, wollen wir hier zurückstellen. Die gelegentlich gewählte anthropozentrische Ausdrucksweise soll bei uns nur der Anschaulichkeit der Darstellung dienen. Liegt ein gutes Beobachtungsmaterial vor, so bleibt es der psychologischen Analyse unbenommen, das Verhalten der Tiere als 'intelligent', 'einsichtig' oder anders auszulegen, oder alles vom Standpunkt v. UEXKÜLLS der 'Merkwelt der Tiere' zur Darstellung zu bringen." (Nellmann & Trendelenburg, 1926).
Die von Trendelenburg und seinen Mitarbeitern an verschiedenen Affenarten durchgeführten Studien wurden filmtechnisch dokumentiert. Dieses Filmmaterial bieten wir hier in Ergänzung zu dem an anderer Stelle unserer Homepage gezeigten Köhlerschen Filmen an.
Armin Stock
Literatur:
Drescher, K. & Trendelenburg, W. (1927). Weiterer Beitrag zur Intelligenzprüfung an Affen (Einschließlich Anthropoiden). Zeitschrift für vergleichende Physiologie, 5, 613-642.
Nellmann, H. & Trendelenburg, W. (1926). Ein Beitrag zur Intelligenzprüfung niederer Affen. Zeitschrift für vergleichende Physiologie, 4, 142-200.
Schittenhelm, A. (1949). Wilhelm Trendelenburg in Memoriam. Zeitschrift für die gesamte experimentelle Medizin, 115, 1-6.
Schütz-Münster, E. (1950). Wilhelm Trendelenburg. Ergebnisse der Physiologie, 46, 6-21.